24. November 2024

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Homosexualität im Fußball: Wie divers sind wir wirklich?

Zehn Jahre liegt das Coming-out von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger zurück. Das eines aktiven Profis gab es hierzulande seitdem immer noch nicht. Die Gründe sind vielfältig.

Thomas Hitzlsperger wundert sich nicht, dass er immer noch zu dem Thema befragt wird. Daran, dass Homosexualität zumindest in der breiten Wahrnehmung scheinbar nach wie vor etwas Außergewöhnliches ist, hat sich seit dem Coming-out des früheren Fußball-Nationalspielers nur bedingt etwas geändert. Dass hierzulande noch kein aktiver Profi seine Homosexualität öffentlich gemacht hat, wirft auch die Frage auf: Wie divers sind wir wirklich?

«Es ist nicht ausschließlich ein Problem im Profifußball, sondern auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, wie ich in den letzten zehn Jahren erlebt habe», sagte Hitzlsperger der Deutschen Presse-Agentur. «Sonst hätten sich auch viel mehr Spieler nach der Karriere geoutet, aber das ist nicht geschehen. Es ist für viele Menschen immer noch ein Problem, wenn man von der gesellschaftlichen Norm abweicht.»

«Es gibt viele Dinge, die sich verbessert haben»

Am 8. Januar 2014 machte Hitzlsperger seine Homosexualität öffentlich – im zweiten Anlauf und erst nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn. «Es war vor allem aufregend. Ich war gut vorbereitet und angespannt, aber auch total froh, wie es dann gelaufen ist», sagte der heute 41-Jährige rückblickend über sein Coming-out, das damals für großes Aufsehen sorgte. «Ich habe fast ausnahmslos positive Reaktionen bekommen.»

Seitdem sind zehn Jahre vergangen. In denen haben die deutschen Proficlubs beim Thema Diversität viel unternommen. Ein Coming-out wie das des inzwischen in Italien spielenden Tschechen Jakub Jankto im zurückliegenden Februar gab es hier aber noch nicht.

Aus Sorge vor negativen Reaktionen im Stadion, in der Kabine oder in den sozialen Netzwerken? Aus Angst, sich womöglich die Chance auf einen Vereinswechsel zu verbauen? Jeder dürfte seine eigenen Gründe haben. Die Clubs können wenig mehr tun, als Toleranz und Offenheit zu demonstrieren – und dadurch diese Sorgen vielleicht zu lindern.

Regenbogenfarben auf Eckfahnen, Trikots oder Kapitänsbinden. Aktionstage. Schwul-lesbische Fanclubs. Vereine, die wie der 1. FC Köln oder der VfB Stuttgart am Christopher Street Day teilgenommen haben. Es ist einiges getan worden, um die Gesellschaft weiter zu sensibilisieren. «Es gibt viele Dinge, die sich verbessert haben», meinte Hitzlsperger.

Coming-out ist eine individuelle Entscheidung

«Generell sehe ich den deutschen Fußball in puncto Diversität auf einem guten Weg. In den Vereinen hat ein Wandel stattgefunden», sagte auch Jost Peter vom Fan-Bündnis «Unsere Kurve». «Sie positionieren sich stärker, vertreten ihre Werte nach außen hin deutlicher.»

Auch Alexander Wehrle, Nachfolger von Hitzlsperger als Vorstandschef des VfB Stuttgart, sieht große Bemühungen. «Ich glaube, es ist hierzulande in den letzten Jahren viel vorbereitet worden für das Coming-out eines aktiven Profifußballers», erklärte der selbst offen schwul lebende 48-Jährige. «Ich bin sicher, dass es das in den kommenden Jahren geben wird – vielleicht nicht von einer einzelnen Person, aber von einer Gruppe.»

Ex-Jugendnationalspieler Marcus Urban hatte unlängst erklärt, gemeinsam mit Kollegen ein solches Gruppen-Coming-out organisieren zu wollen. «Wenn sich alle Beteiligten damit wohl- und nicht gedrängt fühlen, finde ich das wunderbar», sagte Hitzlsperger. «Es würde enorme Aufmerksamkeit erzeugen und sicherlich anderen Menschen Mut machen.»

Letztlich sei ein Coming-out eine «individuelle Entscheidung, zu der ich zwar ermutigen, die ich aber niemals von einem Betroffenen einfordern würde», sagte Wehrle. Sollte ein Spieler auf ihn zukommen, «würde ich ihm positiv zusprechen, die Mannschaft informieren und dann auch Medienvertreter entsprechend sensibilisieren, dass sie zwar gerne einen Tag lang darüber berichten können, es aber eben nicht ewig ausschlachten sollten.»

«Frauenfußball von modernen Ansichten geprägt»

Im Frauenfußball ist sexuelle Offenheit längst normal. Er sei aber auch «eine viel jüngere Sportart», erklärte die schwedische Weltklasse-Spielerin Magdalena Eriksson kürzlich. Seit dem vergangenen Sommer spielt sie mit ihrer dänischen Partnerin Pernille Harder beim FC Bayern München.

«Im traditionellen Männerfußball hat sich in mehr als 100 Jahren viel verfestigt. Der Frauenfußball ist daher stärker von modernen Ansichten geprägt», sagte Eriksson. Vielleicht könne der Männerfußball von den Frauen hier und da ja noch lernen.

Auch Fan-Vertreter Peter glaubt, dass im Männerbereich erst noch «Traditionen gebrochen werden müssen». Zumindest im eigenen Stadion hätte ein Spieler nach einem Coming-out seiner Meinung nach zwar wohl keine negativen Reaktionen zu fürchten. Auch in den Kurven habe sich viel getan. Mitunter gebe es dort aber immer noch homophobe Kommentare.

«Gerade bei Schmähungen des Gegners berufen sich leider sogar fortschrittliche Fans auf scheinbare Traditionen in den Kurven», sagte Peter. Ein Problem, das der Fußball jedoch nicht exklusiv hat. Generell, so der Vorsitzende der Fan-Organisation, sei «das Thema Homophobie trotz aller Bemühungen gerade in der Sportwelt längst nicht ausgeräumt.» Auch zehn Jahre nach Hitzlspergers Coming-out nicht.

Christoph Lother, dpa