24. November 2024

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«Dorf der Unbeugsamen»: FC Girona mischt LaLiga auf

In Spanien beweist ein kleiner Club derzeit, dass man in der Branche der Multimillionäre auch mit bescheidenen Mitteln Erfolg haben kann. Wie ist das Fußball-Wunder von Girona möglich?

So richtig ernst hatte den FC Girona in Spanien bisher niemand genommen. Mit dem 4:2-Sieg im katalanischen Derby beim Titelverteidiger FC Barcelona legte das Sensationsteam der Primera División aber endgültig die fußballerische Reifeprüfung ab.

Zu den vielen, die den Hut vor dem Überraschungstabellenführer der LaLiga zogen, gehört auch der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Ilkay Gündogan. Der Barça-Profi musste die «Qualität» des Rivalen selbst schmerzhaft feststellen. «Es ist kein Zufall, dass Girona ganz oben steht», sagte der 33-Jährige nach dem Abpfiff am Sonntag.

Sogar in der spanischen Hauptstadt überschlugen sich die Lobeshymnen auf den Haufen von Nobodys aus der in Madrid eigentlich verhassten Separatisten-Hochburg und Heimat von «Catalanista»-Chef und Justizflüchtling Carles Puigdemont.

«Dorf der Unbeugsamen»

«Das sympathische Überraschungsteam, das bisher als Eintagsfliege galt, muss nun endgültig als Titelkandidat betrachtet werden», analysierte die Sportzeitung «AS», die schon vor einigen Wochen vom «Wunder von Girona» gesprochen hatte. Ein anderes Madrider Fachblatt, «Marca», stellte fest: «Niemand spielt derzeit besser, niemand versucht einen attraktiveren Fußball als Girona. Spektakulär».

Die Zeitung «La Vanguardia» verglich den Club mit dem kleinen, nicht einmal 14.000 Zuschauer fassenden Montilivi-Stadion, der erst seine vierte Erstliga-Saison bestreitet, mit dem «Dorf der Unbeugsamen» um die berühmten Gallier Asterix und Obelix. Doch während das Comic-Duo seine Macht bekanntlich einem Zaubertrank verdankt, fragen sich immer mehr Leute in Spanien: Wie ist bloß das Fußball-Märchen der «kleinen Katalanen», des stets offensiv und mutig agierenden FC Girona zu erklären?

Der Club gehört zwar seit 2017 zu gleichen Teilen (je 44,3 Prozent) der City Football Group (CFG) von Abu-Dhabi-Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan, der unter anderem auch bei Manchester City das Sagen hat, und der Girona Football Group von Pere Guardiola, dem Bruder von City-Trainer Pep Guardiola. Aber das bedeutet nicht, dass, wie man meinen könnte, Öl-Dollars das Geheimnis des Erfolges sind. «Die bösen Zungen, die das behaupten, liegen völlig falsch», schrieb «Marca».

«Ramschladen»

In der Tat: Die teuerste Verstärkung im Kader von Trainer Míchel Sánchez ist der 26 Jahre alte ukrainische Stürmer Artem Dovbyk, der im Sommer nicht einmal acht Millionen Euro kostete und bereits acht Liga-Tore erzielt hat. Es handele sich um eine Mannschaft, so «Marca», die im «Ramschladen» zusammengestellt worden sei. Um Spieler, die von anderen Clubs ausgemustert wurden und oft zum Nulltarif gekommen seien. Dazu gehören der Niederländer Daley Blind (33), der beim FC Bayern ein Dauergast auf der Reservebank war, der Brasilianer Savinho (19, FC Troyes) oder die Ex-Barça-Profis Eric García (22) und Pablo Torre (20).

Hinzu kommt, dass die Profis, die sich in der vergangenen Saison ausgezeichnet hatten, als der damalige Neuling einen beachtenswerten zehnten Platz schaffte, nicht gehalten werden konnten. Stürmer Taty Castellanos ging zum Beispiel zu Lazio Rom, Mittelfeldmann Oriol Romeu wurde vom FC Barcelona abgeworben – und wird dort kaum eingesetzt.

Doch was ist dann das Erfolgsrezept? Fitnesstrainer David Porcel hat keine Zweifel: «Die Geduld der Clubführung». Man sei schon einige Jahre zusammen und habe auch in schwierigen Zeiten in Ruhe arbeiten dürfen, etwa als vor drei Jahren der Abstieg in die dritte Liga drohte. Und Trainer Sánchez hole das Beste aus Spielern heraus, die «noch zu Saisonbeginn von 70 Prozent der Erstligaclubs verschmäht worden wären».

Nach 16 von insgesamt 38 Spieltagen hat der FC Girona bereits 41 Zähler – zwei mehr als Verfolger Real Madrid und schon sieben mehr als der FC Barcelona. Man errang bereits 13 Siege – so viele wie kein anderes Team in den europäischen Topligen. Und keine andere Mannschaft der LaLiga hat so viele Tore wie die Katalanen auf dem Konto (38). Trainer Sánchez kann das Tiefstapeln dennoch nicht lassen: «Mein Team schreibt Geschichte, aber ich weiß nicht, ob wir eine ganze Saison mit Real, Barça und Atlético mithalten können. Bisher haben wir nur den Klassenerhalt sicher.»

Von Emilio Rappold, dpa