Wenn Thomas Bach beweisen wollte, dass er noch die Spannkraft für eine dritte Amtszeit als IOC-Präsident hat, dann tat er dies mit einem mächtigen Schritt aufs Podium – statt die Stufen zu benutzen.
Der Gaza-Krieg und die Dauerproblematik mit Russlands Sport, die bevorstehenden Sommerspiele in Paris unter diesen Umständen, das weiter gewachsene Misstrauen gegenüber Spitzenfunktionären und Organisationen wie das Internationale Olympische Komitee und der Fußball-Weltverband FIFA. Inmitten dieser Gemengelage versucht sich Bach zu positionieren.
Bei seinem über einstündigen Auftritt beim Stuttgarter Sportgespräch in einem Bank-Foyer prallt so manches an ihm ab. Es ist quasi ein Heimspiel für den Tauberbischofsheimer – wobei: «Es ist natürlich nicht schön, wenn man gerade in seinem Heimatland so betrachtet wird in manchen Teilen. Ich habe festgestellt, wenn man das eine oder andere nicht liest aus Deutschland, dreht sich die Welt dennoch weiter», sagte Bach.
Strebt Bach eine dritte Amtszeit an?
Immer wieder gibt es deutlich kritische Äußerungen am IOC und an Bach wie die des ehemaligen Ski-Stars Felix Neureuther, der Bach anlässlich der Winterspiele 2022 in Peking vorwarf, sich dem chinesischen System zu beugen. «Na gut, das ist seine Meinung. Wenn ich jeden anrufen würde, der Kritik äußert, hätte ich viel zu tun», so der Jurist.
Ob der 2013 erstmals gewählte Bach sich dazu bekennt, eine dritte Amtszeit nach 2025 anzustreben, wird der Fecht-Olympiasieger nicht gefragt – genauso wenig wie nach den sportpolitischen Folgen der Lage in Gaza und Israel. Auf der Session in Mumbai hatten jüngst mehrere IOC-Mitglieder mit salbungsvollen Worten den Wunsch nach einem Verbleib des Deutschen geäußert. Bach hatte – ganz Diplomat – versichert, dass er loyal zur Olympischen Charta stehe, in der die Amtszeit auf zwölf Jahre begrenzt ist.
«Das eine Argument ist, dass ein gewisser Wahlkampf von einigen Mitgliedern bereits begonnen hat in Tokio. Dass die Mehrheit der Mitglieder das als störend empfunden hat. Sie wollen nicht, dass jetzt alle wichtigen Entscheidungen beeinflusst werden von Kandidaturen», erklärte der IOC-Boss erneut und fügte hinzu: «Die anderen sagen, wir leben in derart turbulenten Zeiten, dass es da schwierig ist, jetzt das Team zu wechseln. Man brauche hier eine gewisse Kontinuität, um da bestehen zu können. Das ist die Basis, auf der wir beraten.»
Dass der Vorstoß seiner Funktionärskollegen, ihn durch eine Statutenänderung an der Spitze zu halten, inszeniert gewesen sein soll, diesen Vorwurf findet Bach «inakzeptabel». Den Hinweis des Moderators in Stuttgart auf sein Alter wischt der am 29. Dezember geborene IOC-Präsident mit einem Spruch beiseite: «Ich habe den Vorteil der Geburt im späten Jahr – da kann ich auch jetzt noch lange 69 bleiben.»
Causa Russland wird nur gestreift
Die Rolle seiner Sport-Organisation inmitten der weltweiten Erschütterungen formuliert Bach routiniert so: «Der Sport kann und darf nicht unpolitisch sein – aber er muss politisch neutral sein. Wenn der Sport sich in die Gefahr begibt, zu jedem Konflikt eine Schiedsrichter-Rolle einzunehmen, dann ist das das Ende eines internationalen Sports.»
Die Causa Russland wird an diesem Abend, wenige Stunden, nachdem bekannt geworden ist, dass Russland beim Internationalen Sportgerichtshof Cas Berufung gegen die Suspendierung durch das IOC eingelegt hat, eher gestreift. Ob bei den Sommerspielen im kommenden Jahr Athletinnen aus Russland und Belarus dabei sein dürfen? Und die Reaktionen aus der Ukraine? «Es ist natürlich ein Dilemma.»
Ein Zuhörer aus dem Publikum will wissen, ob Bach die Möglichkeiten gehabt habe, Putin zu sagen: «Lass es bitte mit dem Einmarsch in die Ukraine?» Das sei einfach zu beantworten: «Nein!», sagte der IOC-Präsident, dem eine besondere Nähe zum russischen Staatschef nachgesagt wird. «Die Beziehungen zwischen IOC und Russland sind (…) durch den Dopingskandal und die Sanktionen (…) sehr abgekühlt. Deshalb hat es in diesem Zeitraum keine Gespräche gegeben und keine Gelegenheit dazu.»
Minuten zuvor hatte Bach auf eine eher launig gedachte Frage, mit wem er gerne essen gehen würde gesagt, dass ihm da nicht viel einfalle: «Das ist der Vorteil der olympischen Ringe, sie bekommen praktisch jeden an den Tisch oder ans Telefon.» Auf dem Weg von der Bühne nimmt Bach dann die Stufen, er hat’s eilig: «Ich muss noch nach Lausanne.» Zeit für weitere, kritische Fragen hat er nicht mehr.
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