Schon vor dem Start der neuen Saison ist der Teamchef der deutschen Langläufer sauer auf den Ski-Weltverband. Mit dem heiklen Verbot von Fluorwachs habe die Fis «ein Riesenfass aufgemacht», wettert Peter Schlickenrieder.
Sein mulmiges Gefühl könnte sich durch den Auftakt des Alpin-Winters noch verstärkt haben, schon beim ersten Weltcup in Sölden bestätigten sich durch eine umstrittene Disqualifikation die Befürchtungen der Gegner der Regeländerung. Für andere Wintersportarten gilt die Vorschrift ab dieser Saison ebenfalls – die Bedenken sind groß.
In Sölden wurde die Norwegerin Ragnhild Mowinckel aus der Wertung genommen, nachdem an ihren Skiern Spuren des verbotenen Elements festgestellt worden waren. Die Zweifler rechnen nun damit, dass dieser Ausschluss kein Einzelfall bleiben wird. Fis-Generalsekretär Michel Vion hatte noch erklärt, man wolle keine Disqualifikationen. Nur 24 Stunden nach seiner Ankündigung erwischte es Mowinckel, die ihre Unschuld beteuerte.
Material-Schlacht droht
Fluor, das unter Normalbedingungen als Gas auftritt, ist extrem wasserabweisend und kann daher für einen Geschwindigkeitsvorteil sorgen. Es droht eine Material-Schlacht, denn trotz des Verbots könnte das Halogen in minimaler Menge eingesetzt werden. Karlheinz Waibel, Bundestrainer Wissenschaft beim Deutschen Skiverband, warnte in der Mediengruppe Münchner Merkur/tz sogar vor einer «Betrugskultur wie im Radsport der 90er-Jahre».
Die Fis hat den Grenzwert kurz vor dem Start der Saison in Österreich angehoben, «um einen reibungslosen Ablauf der Tests zu Beginn der Saison zu gewährleisten und um jegliche Spekulationen über eine mögliche Kontamination des Skis auszuschließen», hieß es. In einer Sportart, bei der Winzigkeiten entscheiden, erhöht selbst der geringe Einsatz von Fluor die Erfolgsaussichten. Was bleibt, ist ein gefährliches Spiel. Sportler und Service-Leute könnten dazu verleitet werden, die Grenze auszureizen.
Die Fis setzte das Verbot durch, da Fluor schädlich für die Umwelt ist und als krebserregend gilt. Schlickenrieder stellt dagegen den finanziellen Aspekt in den Vordergrund. «Aus unserer Einschätzung waren die Fluor-Präparate eine einfache Möglichkeit für kleinere Nationen, um große Unterschiede auszugleichen. Was jetzt passiert, kostet sehr viel Geld», sagt Schlickenrieder.
Zweifel an Messgeräten
Nach seinen Angaben kosten die Messgeräte 40.000 Euro. Als besonders verlässlich gelten sie nicht. «Unsere Messungen haben ergeben, dass nicht-fluorierte Ski beim Messsystem zufällig anschlagen können», sagte Michael Gufler, Bereichsleiter Technologie im Österreichischen Skiverband, der Nachrichtenagentur APA. Ein an die Fis verschickter Fragebogen sei laut Gufler «nicht zufriedenstellend» beantwortet worden.
Auch das sorgt für Zwietracht unter den Athleten. «Fahre ich eine gute Abfahrt, verliere aber eine halbe Sekunde, was soll der Servicemann dann sagen? Ich habe nicht beschissen, aber vielleicht haben es andere getan?», sagte Olympiasiegerin Lara Gut-Behrami der Schweizer Tageszeitung «Blick». «Ich werde nicht zu meinem Servicemann gehen und sagen: „Versuch es!“» Der österreichische Weltklasse-Abfahrer Vincent Kriechmayr teilt die Bedenken nicht. «Wenn jemand Fluor verwenden würde, würde es dermaßen drastisch ausschlagen. Ich sehe da kein Problem», sagte er.
Die deutsche Speedfahrerin Kira Weidle kündigte indes ein gemeinsames Vorgehen der Weltspitze an. Zwar richte sich dies nicht gegen das Fluorverbot an sich. «Aber
die Art und Weise, wie es gehandhabt wird, ist nicht fair», sagte Weidle.
«Fangen jetzt alle bei null an»
Im Biathlon wurde der Bann bereits im Herbst 2019 angekündigt, die Einführung aufgrund nicht ausreichender Testverfahren jedoch auf die Saison 2023/24 verschoben. Das eingesetzte Messgerät biete nun «zuverlässige Tests, um fluorfreie Biathlonwettbewerbe zu gewährleisten», teilte der Weltverband IBU mit, der dadurch «die Integrität der Wettkämpfe und gleiche Wettbewerbsbedingungen» gewährleisten möchte.
Auf faire Rennen hofft auch Schlickenrieder in der ab 24. November beginnenden Langlauf-Saison. Um sich bestmöglich vorzubereiten, habe man viele Workshops absolviert. Es sei ein aufwendiges Prozedere, meinte der 53-Jährige. «Das Team soll uns nicht zerrupft werden, wenn es Fehlmessungen gibt. Wir wollen den Prozess dann sauber analysieren. Das Wissen basiert natürlich viel auf Wachsen mit Fluor. Wir fangen jetzt alle bei null an.»
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