Im Kuss-Skandal um den inzwischen zurückgetretenen Verbandspräsidenten Luis Rubiales versinkt der spanische Frauenfußball immer tiefer im Chaos.
«Spaltung» und «Manipulation» warf Weltmeisterin Jennifer Hermoso dem nationalen Verband RFEF vor, «um uns einzuschüchtern und uns mit rechtlichen Konsequenzen und wirtschaftlichen Sanktionen zu drohen», wie sie beim Portal X (früher Twitter) schrieb. Es herrscht Eiszeit, nachdem der Verband die streikenden Fußballerinnen am Montag gegen deren Willen für die kommenden Länderspiele berufen hatte.
Rubiales hatte bei der Siegerehrung nach dem Final-Triumph der Spanierinnen über England am 20. August in Sydney Hermoso ungefragt auf den Mund geküsst und damit weltweit riesige Empörung ausgelöst. Er beteuert weiter, der Kuss direkt nach dem WM-Sieg sei in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt. Dem widerspricht Hermoso.
«Wir haben Wochen, Monate damit verbracht, diesen Schutz zu suchen, den wir in der RFEF selbst nicht finden konnten. Die gleichen Leute, die uns um Vertrauen bitten, sind diejenigen, die heute eine Liste von Spielerinnen veröffentlichen, die darum gebeten haben, nicht berufen zu werden», kritisierte Hermoso nun.
Die Regierung reagiert
Allerdings macht auch die Regierung Druck – auf die Fußballerinnen: «Wenn die Spielerinnen nicht antreten, muss die Regierung, so leid es mir tut, handeln und dem Gesetz Geltung verschaffen», sagte Víctor Francos dem Radiosender El Larguero am späten Montagabend.
Francos ist der Präsident der obersten spanischen Sportbehörde CSD, er kündigte Gespräche und einen Schlichtungsversuch an. Sollte dieser scheitern, droht noch viel größerer Ärger. Dem spanischen Sportgesetz zufolge stellt die Weigerung, trotz Nominierung nicht anzutreten, eine besonders schwere Verfehlung dar, die Geldstrafen zwischen 3000 und 30.000 Euro sowie Sperren zwischen 2 und 15 Jahren nach sich ziehen kann.
Spanien will sich über die Nations League für Olympia 2024 in Paris qualifizieren. Am Montag hatte die neue Nationaltrainerin Montse Tomé 15 Weltmeisterinnen für die ersten beiden Spiele des Wettbewerbs am Freitag in Schweden sowie am kommenden Dienstag daheim gegen die Schweiz nominiert. Tomé hat den nach der WM im Zuge des Skandals geschassten Jorge Vilda abgelöst.
Vor Journalisten in Madrid versicherte Tomé, sie habe mit den von ihr nominierten Fußballerinnen gesprochen und keine von ihnen habe die Teilnahme an den Begegnungen verweigert. Das sahen die Spielerinnen um Weltfußballerin Alexia Putellas komplett anders. Am späten Montagabend teilten sie mit, ihren Länderspiel-Streik fortzusetzen.
Streik geht weiter
Hermoso war nicht von Tomé berufen worden. Zu den Gründen hatte die Trainerin gesagt, man wolle Hermoso so «beschützen». In ihrem Statement bei X reagierte die 33-Jährige auch auf Tomé: «Mich vor was schützen? Und vor wem?»
Die zur besten WM-Spielerin gekürte Aitana Bonmatí schrieb um kurz vor Mitternacht bei X unter anderem: «(…) unser fester Wille, aus berechtigten Gründen nicht nominiert zu werden (…) bleibt in vollem Umfang gültig.» Hermoso schrieb, sie stehe ganz an der Seite ihrer Mitspielerinnen.
Durch ihren Länderspiel-Streik wollen die Fußballerinnen den Druck auf den Verband hochhalten. 21 Mitglieder des Weltmeisterkaders und 18 weitere Topspielerinnen forderten unter anderem auch die Absetzung von RFEF-Interimschef Pedro Rocha und weiterer Funktionäre, die Rubiales nahestehen. Pikanterweise gilt auch Nationaltrainerin Tomé als Rubiales-Vertraute.
Am Montag hatte der Verband anlässlich der Kader-Nominierung ein Kommuniqué herausgegeben und betont: «Wir garantieren den Spielerinnen ein sicheres Umfeld und setzen uns für ein Klima des gegenseitigen Vertrauens ein, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass sich der Frauenfußball in Zukunft noch stärker entwickelt.»
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