Jan-Lennard Struff wird mit dem Spitznamen «The Thunder» («Der Donner») in die Frankfurter Halle einlaufen. Deutschlands zweitbester Tennisprofi ist bekannt für wuchtige, kraftvolle Schläge, die er über das Netz donnert.
Beim Spaßturnier von Freitag bis Sonntag (15. bis 17. September) in Frankfurt am Main ist Struff der einzige deutsche Teilnehmer, der sich den außergewöhnlichen, revolutionären Tennis-Regeln des «Ultimate Tennis Showdowns» (UTS) von Initiator Patrick Mouratoglou stellt. «Positiv» und «spannend» sei das Event, sagt Sportikone Boris Becker (55).
Die Regeln: Es wird auf Zeit gespielt mit vier Vierteln à acht Minuten. Und damit nicht mit Sätzen, bei denen man nicht weiß, wie lange sie sich ziehen. Jeder Punkt zählt wie sonst im Tiebreak. Es gibt keine Spiele mit 15, 30, 40 und damit keine Zählweise, die Menschen, denen der Sport nicht vertraut sind, zumindest anfangs kompliziert vorkommen könnte.
Auf das Einschlagen wird verzichtet. Nur ein Aufschlag – statt wie gewohnt zwei Aufschläge – ist erlaubt, die erhoffte Folge sollen mehr Ballwechsel und weniger Asse sein. Die Spieler dürfen Bonuskarten als Optionen ziehen, um beispielsweise mit einem Gewinnschlag gleich drei Punkte bekommen zu können. Die Coaches dürfen permanent reden. Und sollte jeder Spieler zwei Viertel für sich entscheiden, gibt es einen Sudden Death mit ständigen Matchbällen. Gruppenspiele mit vorher festgelegten Anfangszeiten ermöglichen es dem Zuschauer, zu planen, wenn er einen bestimmten Spieler sehen will.
Mouratoglou will junge Generation begeistern
«Es gab mal eine Zeit, in der Tennis nicht mehr geboomt hat, aber diese Zeit ist vorbei», sagt Becker. UTS-Organisator Mouratoglou, früher langjähriger Coach des mittlerweile zurückgetretenen US-Superstars Serena Williams, sorgt sich dagegen um die Fangemeinde der Zukunft und will mit mehr Action, mehr Tempo und seinen Ideen die jüngere Generation für den Sport gewinnen. «Das Durchschnittsalter der Tennisfans ist 61 Jahre. Der Tennisfan wird irgendwann aussterben», sagt der Franzose (53). Auf die Idee seines Formats kam er während der Corona-Pandemie, als die reguläre Tour ausfiel. Vier Events gibt es 2023.
Im aktuell ohnehin dichten Tennis-Kalender fanden die Organisatoren erst spät einen deutschen Teilnehmer für Frankfurt. Der Showdown kollidiert mit dem Davis Cup. Das deutsche Team spielt am Wochenende in Bosnien-Herzegowina gegen den Abstieg aus der Weltgruppe. Struff kam nur deswegen infrage, weil er sich nach seiner Hüftverletzung für die Abstiegsrelegation und mögliche lange Matches noch nicht bereit fühlt.
Auch wenn es schon lange und immer wieder Debatten über die lange und volle Tennis-Saison gibt, hat auch der russische US-Open-Finalist Daniil Medwedew («The Chessmaster») zugesagt. Als weitere Top-Ten-Spieler sind der Norweger Casper Ruud («The Ice Man») und Andrej Rubljew (Rublo) für das Event ohne Weltranglistenpunkte, aber mit laut der Veranstalter attraktiven Preisgeldern angekündigt.
Struff gefällt das UTS-Format
Für ihn sei es «eine super Chance, ein bisschen Matchpraxis auf Exhibitionlevel zu sammeln», sagt Struff im «Advantagepodcast». Matches im UTS-Format dauern nur rund 45 Minuten. «Das kann ich mit dem Training momentan abwägen, dass das mein Körper kann, und ich habe nicht direkt ein Drei-Stunden-Match – das könnte beim Davis Cup ja passieren», sagt Struff über seine Entscheidung, die er mit Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann abgesprochen habe. «Dort kann ich für mich alleine spielen, könnte auch abbrechen, wenn es noch nicht geht.» Ihm gefalle das UTS-Format, er sei «ein Fan» davon.
Dass sich Tennis auf der regulären Tour einmal so radikal verändern werde, wie er es nun anbietet, glaubt aber auch Mouratoglou nicht. Andere Regeln, etwa kürzere Sätze, die bei ATP-Events für die jüngere Generation getestet wurden, haben sich nicht durchgesetzt. «Ich will das Tennis nicht verändern», sagt Mouratoglou. Er will es ergänzen.
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