24. November 2024

Sport Express

Express-Sport direkt aus der Arena

Djokovic jagt auch in New York die Rekorde

Novak Djokovic verspürt «immer noch den Hunger». Die Jagd nach Bestmarken treibt den Serben auch bei den US Open an. Die Zuneigung der Fans wächst. In einem Moment wird er sentimental.

Für Novak Djokovic schlüpft selbst Coco Gauff gern in die Rolle der Stadionsprecherin. Nach ihrem eigenen Halbfinaleinzug bei den US Open schnappte sich der amerikanische Publikumsliebling das Mikrofon im Arthur Ashe Stadium und kündigte mit einem Freudenschrei das folgende Spiel des serbischen Superstars an.

«Novak ist ein Spieler, den es nur einmal in einer Generation gibt», schwärmte die 19 Jahre alte Gauff zuvor beim Grand-Slam-Turnier in New York vom erfolgreichsten Tennisspieler der Geschichte. «Ich habe Novak immer gegen Roger und Rafa gesehen, das ist höchstes Tennis.»

Roger – Roger Federer – ist in sportlicher Rente. Rafa – Rafael Nadal – kämpft um ein letztes Comeback. So ist Djokovic als einzig verbliebener der Großen Drei auch bei diesen US Open die Hauptattraktion bei den Herren. Mit 6:1, 6:4, 6:4 beendete der 36-Jährige in der schwülen Mittagshitze von New York die Hoffnungen des Amerikaners Taylor Fritz und trifft direkt auf den nächsten Favoriten der Heim-Fans – den 16 Jahre jüngeren Ben Shelton. Mit seiner 47. Halbfinalteilnahme bei einem Grand Slam holte sich Djokovic auch diesen alleinigen Rekord und liegt nun vor Federer.

Djokovic dankt seinen Eltern

In den Jubel über die nächste Bestmarke mischten sich bei Djokovic auch sentimentale Gefühle. «Dieser Sport hat mir so viel gegeben in meinem Leben. Ich komme aus Serbien, einem in den 1990er-Jahren vom Krieg zerrissenen Land. Ich musste mich mit meiner Familie vielen Widrigkeiten stellen, um überhaupt nur reisen und international Sport betreiben zu können», sagte er auf dem Platz und deutete auf seine Eltern auf der Tribüne: «Ohne ihre Liebe und ihre unglaublichen Opfer wäre ich nicht hier.»

Dabei jubelte ihm das Publikum zu. Dass er im vergangenen Jahr ohne die zur US-Einreise notwendige Coronaimpfung fehlte, schadet der Zuneigung offenbar nicht. Auch durch die bittere Final-Niederlage 2021 gegen den Russen Daniil Medwedew, mit der Djokovic den Triumph bei allen Grand Slams in einem Jahr verpasste, hat er die Zuneigung der New Yorker gewonnen. «Ich blühe durch diese Energie auf, ich nutze sie als Antrieb, um mein bestes Tennis zu spielen», sagte er nach dem Sieg über Fritz.

Anschließend stimmte er sogar «You gotta fight for your right to party» von der New Yorker Hip-Hop-Band Beastie Boys an und forderte die Fans zum Mitsingen auf. Anders als noch bei den French Open, als er mit einer politischen Botschaft auf einer Kamera für Aufsehen sorgte, gibt es in diesen Tagen keine sonst so häufigen Nebenschauplätze. Dass er einen Mann, der mit Djokovic‘ Freunden auf der Tribüne saß, für einen Aus-Ruf mitten während eines Punkts anschrie, war da schon der größte Aufreger.

Tennis-Ass immer noch hungrig auf Titel

«Im Alter von 36, 20 Jahre nachdem ich nach New York gekommen bin, habe ich immer noch den Hunger, mein bestes Tennis auf dem Platz zu spielen», erläuterte der dreimalige US-Open-Sieger seine Herangehensweise. «Ich habe die Erfahrung und das Verständnis, was es braucht in den wichtigen Momenten: Energie zu sparen und sich auf die Gegenwart konzentrieren.»

In der nahen Zukunft wird Djokovic nach den US Open wieder die Topposition in der Weltrangliste vom spanischen Titelverteidiger Carlos Alcaraz übernehmen und seine Bestmarke mit der 390. Woche an der Spitze ausbauen. Und auch bei der Turnierauswahl geht der Blick des 23-maligen Grand-Slam-Turniersiegers nur noch auf die Rekordbücher. Ein Triumph in New York würde ihn in dieser Bilanz zur Australierin Margaret Court, die die meisten Titel bei den Damen innehat, aufschließen lassen.

«Djokovic versetzt auch in diesem Alter noch seine Rivalen ins Staunen, dass er so gut ist, so großartig», erläuterte Tennis-Legende John McEnroe, der bei den US Open für ESPN als Experte im Einsatz ist, die Einzigartigkeit. «Es scheint, als würde er es immer noch mehr als andere wollen. Das macht es unglaublich.»

Von Florian Lütticke, dpa