Völlig entkräftet lehnte Alexander Zverev um zwei Uhr morgens an der Wand im Inneren des Arthur Ashe Stadiums und sprach über seine epische Tennis-Nacht bei den US Open. Begeistert schwärmte der Olympiasieger vom Achtelfinalsieg im Fünf-Satz-Krimi gegen Jannik Sinner in der Hitze von New York, schickte eine Kampfansage an den großen Favoriten Carlos Alcaraz – und schimpfte über «die Hitler-Hymne» als den großen Aufreger des Abends.
«Er ist kein sonderlich kluger Typ», kritisierte Zverev den Zuschauer, der das Achtelfinale mit dem Ruf «Deutschland über alles» gestört hatte. «Er hat angefangen, die Hitler-Hymne zu singen. Das war zu viel. Als Deutscher bin ich nicht stolz auf diese Geschichte und es ist nicht gut, das zu tun.» Kurze Zeit, nachdem Zverev den Vorfall Mitte des vierten Durchgangs wütend dem Schiedsrichter gemeldet hatte, wurde der Mann von Sicherheitspersonal aus der Arena gebracht. «Es war sein Verlust, dass er die letzten zwei Sätze nicht mehr erlebt hat», spottete Zverev.
Und was für ein Erlebnis das 6:4, 3:6, 6:2, 4:6, 6:3 in 4:41 Stunden gegen den Weltranglistensechsten Sinner war. Bei 27 Grad zu Matchbeginn, hoher Luftfeuchtigkeit und stickiger Luft in der größten Arena der Welt vor mehr als 23.000 Zuschauern kämpften beide Profis bis zum Umfallen. Mit Eis kühlte Zverev Kopf und Nacken, wechselte mehrfach seine durchnässten Klamotten und die Schuhe. «Es war extrem heiß und extrem feucht, das hat uns beide gekillt», schilderte er die Bedingungen.
Auf beiden Seiten schwinden die Kräfte
Sinner konnte zeitweise im dritten Satz kaum noch laufen, rappelte sich aber wieder auf. Im vierten Durchgang war Zverev dann nach eigener Aussage selbst «völlig fertig». Am Ende gab aber neben dem starken Aufschlag und aggressiven Vorstößen ans Netz auch die überlegene Physis den Ausschlag für den Hamburger. «Heute war es ein Wahnsinn», formulierte der 26-Jährige als Fazit des Abends. «Das ist einer der besten Momente meiner Karriere.»
Auch das nächste Duell beim Grand-Slam-Turnier in Flushing Meadows verspricht wieder großes Tennis. Titelverteidiger Alcaraz steht für Spektakel. Zverev bezwang den 20 Jahre alten Jungstar aus Spanien aber in drei der bisherigen fünf Duelle – und will nun das Traum-Endspiel vieler Fans verhindern. «Vor dem Turnier hat jeder auf zwei Spiele gewartet: Alcaraz gegen Novak (Djokovic) im Finale und Alcaraz gegen Sinner im Viertelfinale», sagte Zverev. «Vielleicht kann ich sicherstellen, dass beides nicht passiert. Es wird eines der schwersten Matches für mich. Ich muss mich gut erholen.»
Alcaraz war nach dem lockeren 6:3, 6:3, 6:4 über den Italiener Matteo Arnaldi schon längst wieder im Hotel, als Zverev seinen dritten Viertelfinaleinzug in Serie bei den US Open perfekt machte. Der Goldmedaillengewinner der Sommerspiele von Tokio feierte im 14. Anlauf bei einem Grand Slam erst den zweiten Sieg über einen Spieler aus den Top Ten der Weltrangliste. Der zuvor einzige dieser Erfolge war ihm gegen Alcaraz bei den French Open 2022 gelungen. Für Zverev ist es die zehnte Viertelfinalteilnahme bei einem Grand-Slam-Turnier, damit zog er mit Michael Stich gleich. Nur Boris Becker (23) schaffte dies in der Profi-Ära bei den Herren als deutscher Tennisspieler öfter.
Lob von Becker
«Das ist in seiner DNA, das ist in seinem Instinkt. Er ist ein unglaublicher Kämpfer, ein Stehaufmännchen», lobte ihn Becker als Experte von Sportdeutschland.TV. «Sascha ist back.»
Und auch der nächste Gegner ist von Zverev im ersten Jahr nach dessen schwerer Knöchelverletzung im Sommer 2022 beeindruckt. «Gegen Sascha ist die Bilanz wirklich, wirklich eng. Wir haben großartige Matches gegeneinander gespielt», erinnerte Alcaraz und lobte die deutsche Nummer eins: «Er spielt wirklich, wirklich gut. Dieses Jahr findet er sein Topniveau wieder.»
Der zweimalige Grand-Slam-Titelgewinner trat in seinem Achtelfinale mit einem Tapeverband am linken Oberschenkel an, bewegte sich aber ohne sichtbare Probleme. «Es ist nichts Ernstes, es ist nur vorbeugend. Ich hatte etwas Schmerzen im linken Bein», sagte Alcaraz, der immer wieder mit Blessuren zu kämpfen hat.
Der Spanier stand bislang rund achteinhalb Stunden bei diesen US Open auf dem Platz – Zverev spielte fast sechs Stunden länger. Dennoch sieht sich der Olympiasieger nicht chancenlos: «Ich bin, hier um zu spielen. Ich werde mein Bestes geben und bis zum letzten Moment kämpfen. Ich werde bereit sein.»
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