Martina Voss-Tecklenburg weiß, dass früher nicht alles besser war. «Es war ein Tabuthema, das ist einfach Fakt», sagt die 55 Jahre alte Fußball-Bundestrainerin.
«Mit mir als Spielerin hat sich niemand darüber unterhalten. Ich musste selbst schauen, wie ich klarkomme», erzählt sie über ihre Erfahrungen mit der Menstruation. Kurz vor Beginn der WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) ist das anders. Der Deutsche Fußball-Bund wirbt mit dem Slogan «Let’s talk Periods» (lasst uns über die Periode sprechen), die Spielerinnen tun es, und Voss-Tecklenburg stellt fest: «Wir wachsen bei dem Thema mit, weil es immer noch viel Potenzial birgt in der Wissenschaft – obwohl es eigentlich schon immer ein Thema im Leistungssport hätte sein müssen.»
Leistungssport, das bedeutet vor allem Leistungsoptimierung. Jeder noch so kleine Prozentpunkt soll herausgekitzelt werden. Auch deshalb rückt das einstige Tabuthema Menstruation immer stärker in den Fokus. Es geht um Belastungs- und Trainingssteuerung, Verletzungsvorsorge und ein maximales Energielevel. Von zahlreichen Olympia-Teilnehmerinnen wisse man um den Einfluss des Zyklus auf die sportliche Leistung, sagt Mandy Mangler, Chefärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum und Klinikum Neukölln in Berlin. «Heutzutage kann man eigentlich nicht Leistungssportlerin sein, ohne Zyklus-basiertes Training zu machen.»
Unterzuckerung und Schlafmangel
Beim Zyklus, der je nach Frau 24 bis 38 Tage dauert, wird grob unterschieden zwischen erster und zweiter Zyklushälfte. «In der ersten Zyklusphase haben manche zum Beispiel ein höheres Energielevel», sagt Mangler, während die zweite anfälliger für Unterzuckerung und Schlafmangel sei. Und bei Fußballerinnen möglicherweise auch für Kreuzbandrisse. «Durch das in dieser Phase stärker ausgeschüttete Geschlechtshormon Progesteron wird mehr Wasser in den Körper eingelagert, also auch in die Gelenke. Das heißt, die Gelenke sind dann etwas lockerer und könnten anfälliger für Verletzungen sein», erklärt Mangler.
DFB-Innenverteidigerin Sara Doorsoun nutzt eine App, in die sie monatlich einträgt, wann ihre Menstruation, auch Periode oder Regelblutung genannt, startet und endet. «Die App gibt mir auch eine Info, wann ich meine nächste Periode bekomme; da gibt es dann eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit», sagt Doorsoun. Die Defensivspezialistin von Eintracht Frankfurt geht offensiv mit dem Thema um. «Ich merke bei mir persönlich: am ersten Tag (Periode) geht’s mir einfach nicht gut. Da würde ich am liebsten in Embryostellung den ganzen Tag zu Hause liegen.» In ihrem Club gebe es wie beim DFB vor den Trainingseinheiten deshalb eine Abfrage. «Ich habe bisher gar kein Problem damit gehabt, offen sagen zu können: Hey, ich fühle mich heute echt ein bisschen schwächer. Nur damit ihr Bescheid wisst.»
Voss-Tecklenburg froh um Offenheit
Bundestrainerin Voss-Tecklenburg ist froh um die Offenheit. «Die Spielerinnen machen das sehr transparent, da ist schon viel Wissen vorhanden. Wir nehmen da natürlich Rücksicht. Für die einen ist das eine größere Einschränkung als für die anderen. Das wird offen und vertrauensvoll besprochen.»
Rund ein Drittel aller Frauen haben während der Menstruation etwas stärkere Probleme, schätzt Mangler. «Es gibt Sportlerinnen, die Endometriose haben, also extrem starke Regelschmerzen. Das ist für diese Personen an manchen Zyklustagen dann natürlich extrem schwierig, sportliche Leistung abzurufen. Es gibt aber auch viele Sportlerinnen, die sagen: Das macht mir gar nichts. Die nutzen dann Menstruationstasse oder Tampon – kein Problem.»
Und wieder andere setzen auf die Antibabypille. Wer das Verhütungsmittel durchgehend nimmt, hat keine Menstruation, möglicherweise aber andere Sorgen: «Die Pille wird zunehmend kritischer betrachtet. Sie ist ein Medikament mit zahlreichen Nebenwirkungen wie Libido-Veränderung, depressive Verstimmung oder Thrombose», erklärt Mangler. In der Gesamtgesellschaft nehme die Verschreibung von Pillen-Rezepten daher deutlich ab.
Die Berliner Chefärztin sieht noch viel Aufklärungsbedarf. Sie habe sich schon mit bekannten Sportmedizinern besprochen und gefragt, wie oft diese das Thema Zyklus mit ihren Patientinnen besprochen hätten. Antwort: «Noch nie.» Die Lehrmeinung sei in der Vergangenheit eben eine andere gewesen als heute. «Früher hat man, überspitzt formuliert, Frauen wie kleine Männer behandelt und hat sich um den Zyklus nicht gekümmert, ihn ausgeblendet», sagt Mangler, «das macht man heute nicht mehr.»
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