27. November 2024

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Der Risiko-Transfer: Dortmund und die Nmecha-Diskussion

Dass Felix Nmecha nun für Borussia Dortmund spielt, gefällt nicht allen BVB-Fans. Die Verantwortlichen setzen große Hoffnungen in den Nationalspieler. Der Transfer birgt Risiken in mehreren Bereichen.

Für Felix Nmecha ist die Sache klar. «Es war von Beginn an ein gutes Gefühl», sagt der Neu-Dortmunder über die Gespräche mit den Sportlich-Verantwortlichen um Trainer Edin Terzic in einem von der Borussia veröffentlichten Video. Viele Fans haben dieses gute Gefühl nicht. Der Transfer wird weiter heiß diskutiert – und ruft teils deutliche Kritik hervor.

Der BVB geht mit der Verpflichtung kurz vor dem offiziellen Trainingsstart am Mittwoch zwei Risiken ein: zum einen im Verhältnis zu einigen Anhängern, zum anderen sportlich.

Auf der Internetseite des bekannten BVB-Fanmagazins «schwatzgelb.de» brachte eine Autorin ihre Enttäuschung zum Ausdruck. «Der Verein hat den Punkt verpasst, deutlich zu machen, dass keine sportliche Qualifikation, persönliche Defizite bei den wichtigsten Werten des Vereins ausgleichen könnte!», schreibt sie. Es habe «die Generationen vor uns so viel Kraft und Mühe und Zeit gekostet» dafür zu sorgen, dass jeder «sich in der BVB Familie willkommen fühlen kann. Sowohl von Fan- als auch von Vereinsseite! Ich weiß gar nicht, ob Naivität überhaupt noch das richtige Wort für das ist, was unser Ballspielverein sich da geleistet hat.»

Fans protestieren

Schon vor dem am Montagabend verkündeten Transfer Nmechas vom VfL Wolfsburg zum Revierclub hatte es heftige Diskussionen und Protestbekundungen gegeben. BVB-Anhänger hatten zwei von Nmecha geteilte und schnell wieder gelöschte Posts in sozialen Medien als homophob und queerfeindlich kritisiert.

Die Dortmunder Verantwortlichen wussten das und gingen außergewöhnlich offensiv mit dem Thema um. In der Mitteilung zum Transfer sagen Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Präsident Reinhold Lunow unter anderem, Nmecha habe sie «in intensiven Gesprächen absolut davon überzeugt, dass er kein transphobes oder homophobes Gedankengut in sich trägt». An diesen Aussagen werden sie sich messen lassen müssen.

Die Social-Media-Beiträge hatten schon in Wolfsburg für Unruhe gesorgt. Sportliche Leitung und Medienabteilung führten mehrere Gespräche mit Nmecha darüber. Gerade der 22-Jährige wurde beim VfL aber immer als freundlicher und umgänglicher Mitspieler wahrgenommen. Anders als etwa der Kroate Josip Brekalo 2018 sprach er sich nie gegen die Regenbogen-Symbolik als Zeichen für Vielfalt und Toleranz auf Trikots und Kapitänsbinden des VfL aus. «Er ist ein ganz toller Mensch, ein ganz feiner Kerl», sagte VfL-Trainer Niko Kovac über ihn.

Nmecha selbst erklärte: «Ich glaube, dass einige Dinge aus dem Kontext gerissen wurden. Ich bin Christ, liebe alle Leute und diskriminiere niemanden. Ich hoffe, dass die Fans mir die Chance geben, um mich kennenzulernen.» Unter einem Instagram-Beitrag Nmechas zum Wechsel brachten zahlreiche Anhänger ihre Unterstützung für den Jung-Nationalspieler zum Ausdruck. Kritik ist dort ebenfalls zu lesen.

Auf Nmecha lastet Druck

Inwieweit sein Transfer die BVB-Fanszene tatsächlich spaltet, wird sich wohl erst bei seinen ersten größeren öffentlichen Auftritten im schwarz-gelben Trikot zeigen. Bei einigen Anhängern dürften dann auch die fußballerischen Eindrücke vom Mittelfeldspieler eine Rolle spielen.

Fest steht: Der Druck, der auf Nmecha lastet, ist enorm – auch, aber nicht nur wegen der außersportlichen Debatten rund um seinen Wechsel. Eine Ablösesumme von dem Vernehmen nach rund 30 Millionen Euro, ein Vertrag bis 2028 und Vergleiche mit dem zu Real Madrid gewechselten Jude Bellingham schüren Erwartungen. Ist er diesen gewachsen?

Der jüngere Bruder von Stürmer Lukas Nmecha hat in der vergangenen Saison einen steilen Aufstieg hingelegt. Die Wolfsburger holten ihn 2021 für weniger als 500 000 Euro aus der zweiten Mannschaft von Manchester City – als Flügelspieler. Noch vor einem Jahr galt er als Ausleihkandidat, ehe Kovac seine physischen Stärken erkannte und ihn ins zentrale Mittelfeld schob. Danach ging alles sehr schnell: Startelf-Premiere auf der neuen Position im Oktober, Länderspiel-Debüt im März, nun der Dortmund-Wechsel für rund 30 Millionen Euro. Beim BVB und auch in Wolfsburg ist man davon überzeugt, dass Nmechas Entwicklung noch lange nicht zu Ende ist. Fans und weiteres Umfeld werden das ganz genau beobachten.

Von Thomas Eßer und Sebastian Stiekel, dpa