Natürliche Grenzen kennt Loretta Claiborne offenbar nicht. «Oh nein – Schluss ist noch lange nicht», sagt die 69 Jahre alte Ausnahmeathletin energisch und voller Überzeugung vor ihrem letzten Auftritt beim Tennisturnier der Special Olympics World Games in Berlin.
«Ich bin immer noch in zehn verschiedenen Sportarten aktiv. Das sind nicht meine letzten Spiele. Ich mag Sport.» Die zierliche Amerikanerin hatte zuletzt vor 14 Jahren an den Spielen der geistig und mehrfach Beeinträchtigten teilgenommen, ihr Debüt bei den Special Olympics feierte Claiborne vor 53 Jahren.
Für die mittlere von sieben Kindern, die mit einer Sehschwäche und einer geistigen Behinderung zur Welt gekommen war, bedeutet der Sport Leben. Erst mit vier Jahren lernt sie laufen, gewinnt aber später insgesamt 26 Marathon-Rennen und schafft es mit 29 Jahren unter die Top Hundert beim Boston Marathon. Bei den Weltspielen in der deutschen Hauptstadt tritt die als erste geistig Beeinträchtigte mit mehreren Ehrendoktorwürden ausgestattete Claiborne erstmals im Tennis an, nachdem sie sich in der nationalen Qualifikation durchgesetzt hatte: «Ich habe bereits mit der Möglichkeit, spielen zu können, gewonnen. Ich hätte nicht gedacht, dass sie jemanden in meinem Alter auswählen würden.»
Schon bei Obama im Weißen Haus empfangen
Auch wenn die in ihrer Heimat zur Ikone aufgestiegene Claiborne, die auch schon von Barack Obama im Weißen Haus empfangen wurde, bereits viele Weltspiele mitgemacht hat, ist sie doch froh, in Berlin an den Start gehen zu können. Zum einen, weil «erstmals rund 40 Prozent Frauen antreten», sagt sie mit fester Stimme. Aber auch wegen der geteilten Geschichte der Stadt und des Landes: «Die Stadt und das Land waren geteilt und jetzt kommen alle zusammen, um Sport zu treiben.»
Die frühere Läuferin, die auch den schwarzen Gürtel in Karate besitzt, geht als Vorbild für Senioren ins Rennen und zeigt, dass Sport im hohen Alter möglich ist. Für Sven Albrecht, Geschäftsführer der Weltspiele in Berlin, ist Claiborne eine Vorreiterin eines Ziels der Spiele. So seien die Special Olympics nicht nur eine Einladung für geistig Beeinträchtigte zum Sport, sondern auch «für ältere und ebenso für junge Menschen, die sich im Sport nicht so viel zutrauen.»
Gerade der sogenannte Unified Sport, bei dem Menschen mit und ohne Beeinträchtigung ein Team bilden, biete sich für Senioren an, um Sport positiv zu erleben: «Auch im Wettbewerb und in ihrer individuellen Leistungsfähigkeit vermittelt der Unified Sport kein Gefühl, nicht gut genug zu sein», sagt Albrecht, «sondern ein Gefühl, dass der Sport ihrer persönlichen Entwicklung auch etwas Gutes tut.»
Claiborne, die im August 70 wird und als erste Special Olympics Athletin in den Vorstand von Special Olympics International gewählt wurde, strebt nicht nach Medaillen, sondern erhält durch ihre Leistungen Erfüllung. Nach ihrem Debüt im Tennis hat sie sich schon das nächste Ziel gesetzt: die Special Olympics Winter Games 2025 in Turin und im Piemont. Und auch die Sportart steht für die trotz ihres Alters noch sehr quirlige Claiborne bereits fest: «Wenn ich zu den Winterspielen gehe, möchte ich Eiskunstlaufen.»
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