Als Kind spielte Alexia Putellas an Mülltonnen und konnte mit der Familie nur selten in den Urlaub fahren – heute wird sie von Royals, Politikern und Medien hofiert und gehört zu den erfolgreichsten und beliebtesten Menschen ihrer spanischen Heimat. Das (noch kurze) Leben der zweifachen Weltfußballerin könnte wahrhaft viel Stoff für einen Hollywood-Film liefern.
Die 29-Jährige, die am Samstag nach einer rund zehnmonatigen Verletzungspause mit dem FC Barcelona in Eindhoven im Finale der Champions League auf den VfL Wolfsburg trifft, wuchs im Barcelona-Vorort Mollet del Vallès in sehr einfachen Verhältnissen auf.
Ihre Eltern waren beide Fabrikarbeiter. «Um uns einen Campingurlaub zu ermöglichen, mussten sie hart sparen», erzählte die offensive Mittelfeldspielerin, die nach eigenen Angaben schon mit drei Jahren den Ball als Lieblingsspielzeug hatte, jüngst im Interview der Zeitung «La Vanguardia». «Das Freistoß-Schießen habe ich damals mit Mülltonnen auf der Straße trainiert.» Sie war damals in ihrer Nachbarschaft das einzige Mädchen, das dem Ball hinterherjagte – und musste sich auch gehässige Kommentare anhören.
Früher Verlust des Vaters
Obwohl im Spanien der Jahrtausendwende die Vorurteile gegen Frauen-Fußball noch viel, viel größer waren, als sie es heute noch sind, wurde sie bei ihrem Traum, eine große Spielerin zu werden, stets von ihrem Vater unterstützt. Papa Jaume stand früh auf, um sie zu den Spielen zu fahren, feuerte sie an der Seitenlinie an. Für die damals 18-Jährige war es ein harter, nur schwer zu verkraftender Schlag, als ihr Vater mit nur 50 Jahren plötzlich verstarb. Ihm widmete sie Ende 2021 ihre erste Auszeichnung als Weltfußballerin.
Schwierigkeiten haben das Leben und die Karriere der Alexia Putellas stets geprägt – bis zuletzt: Wegen eines Kreuzbandrisses wenige Tage vor Turnierbeginn verpasste sie im Juli vorigen Jahres die EM. Vor dem Fernseher musste sie mitansehen, wie die favorisierten Spanierinnen schon im Viertelfinale gegen den späteren Europameister England ausschieden. Nach einer Pause von exakt 303 Tagen kehrte sie Ende April zurück, traf wieder, feierte mit Barça den erneuten Liga-Titel – und freut sich auf Wolfsburg. «Wir haben aus der Final-Niederlage gegen Lyon im vorigen Sommer gelernt», sagte sie dieser Tage zuversichtlich. Man sei als Team «reifer» als vor einem Jahr und könne den zweiten Königsklassen-Erfolg nach 2021 erringen.
Putellas musste sich bei allem Talent immer alles hart erkämpfen. Vielleicht auch deshalb lässt sie sich vom Erfolg nicht blenden. Auf Instagram hat sie inzwischen gut drei Millionen Follower. Erst im April wurde sie von der spanischen Königin Letizia mit dem «Premio Reina Letizia» ausgezeichnet. Doch sie bleibt bescheiden und bodenständig. Lob höre sie nicht gern, sagt sie. Und auf persönliche Auszeichnungen legt sie wenig Wert. «Es ist widersprüchlich, in einer kollektiven Sportart individuelle Auszeichnungen zu vergeben.» Gegenüber «La Vanguardia» verriet sie, sie feiere heute noch mit ehemaligen Lehrern und Schulfreunden all ihre Erfolge.
Bereits jetzt eine «Legende»
Von spanischen Medien und Kommentatoren wird sie mit gerade 29 Jahren trotzdem bereits als «Legende» gefeiert. Wenn sie nach ihren besten Qualitäten als Fußballerin gefragt wird, sagt sie, sie sei eine «komplette, wettbewerbslustige, leidenschaftliche» Spielerin. Neben den früheren Barcelona-Stars Lionel Messi, Xavi, Iniesta, Ronaldinho und Rivaldo nennt Putellas auch die frühere deutsche Nationalspielerin Nadine Keßler als ihr Vorbild.
Putellas ist sozial stark engagiert. Sie setzt sich für Frauen- und Mädchenrechte ein. Sie fordert etwa bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung für Spielerinnen. Sie verdient zwar immerhin 12 500 Euro pro Monat, das ist aber circa hundertmal weniger als ein männlicher Fußballstar. Und Erstliga-Spielerinnen müssen in Spanien oft mit deutlich weniger als 2000 Euro pro Monat auskommen.
Als «Botschafterin» unterstützt sie unter anderem auch ein Projekt der Kinderrechtsorganisation «Save The Children» und eines spanischen Modeunternehmens (Mango) für 4000 sozial benachteiligte Frauen und Mädchen in Bangladesch. Das Motto: «Girls should play with whatever they want to» (Mädchen sollen mit allem spielen, was sie wollen) – und vor «whatever» ist das Wort «dolls» (Puppen) durchgestrichen.
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