25. November 2024

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Zverev vor Neustart in Paris

Ein Jahr nach seiner schweren Knöchelverletzung startet Alexander Zverev bei den French Open. Trotz der Formkrise gibt sich der Olympiasieger selbstbewusst - und rechnet mit Kritikern ab.

Alexander Zverev genoss die Anfeuerungsrufe seiner jungen Fans. Sichtlich gelöst schrieb der Tennis-Olympiasieger minutenlang nach dem ersten Training Autogramme und ließ bei der Rückkehr zu den French Open keine Berührungsängste mit dem Ort seiner schwersten Verletzung erkennen.

Stattdessen schaltete er in Paris direkt in den verbalen Angriffsmodus, sprach über den ersten Grand-Slam-Titel als großes Karriereziel und rechnete mit Kritikern wie Boris Becker und Michael Stich ab.

«Die Experten da draußen geben teilweise auch ziemlich dumme Kommentare ab. Es gab Kommentare, dass ich mich nicht weiterentwickelt habe im letzten Jahr. Ja, no shit (kein Scheiß), ich habe sieben Monate einen Stiefel getragen», schimpfte Zverev vor seiner Erstrunden-Partie am Dienstag in Anspielung auf die schwere Knöchelverletzung im vergangenen Jahr. «Ich bin 26 Jahre alt und ich gehe davon aus, meine Ziele zu erreichen und mir nicht von Experten sagen zu lassen, dass ich nie wieder auf der Spitze spielen werde. Das werde ich auch relativ zeitnah beweisen.»

Paris-Auftakt gegen Harris

In der Gegenwart muss der frühere Weltranglistenzweite jedoch erstmal wieder unter Beweis stellen, dass er an die Konstanz, Form und Extraklasse vergangener Tage anknüpfen kann. Beim Auftakt gegen den Südafrikaner Lloyd Harris – 294. der Weltrangliste – ist Zverev der klare Favorit. 

Da soll auch die Erinnerung an den mehrfachen Bänderriss im Knöchel im bis dahin epischen Halbfinale gegen Rafael Nadal im Vorjahr nicht bremsen. «Dieser Termin war für mich schon sehr, sehr fett markiert», sagte Zverev voller Vorfreude auf das zweite Grand-Slam-Turnier des Jahres. «Seitdem es das letzte Jahr passiert ist, ist das das Turnier, auf das ich mich am meisten freue.»

Doch seit seinem Comeback Ende des vergangenen Jahres wartet er noch auf einen Sieg gegen einen Top-Spieler – und muss sich mit ungewohnter Kritik auseinandersetzen. Die deutschen Wimbledonsieger Becker und Stich bemängelten medial unisono eine fehlende Weiterentwicklung, US-Legende John McEnroe sieht Zverev gleich «auf dem Tiefpunkt der vergangenen acht Jahre» angekommen.

Zumindest äußerlich lässt sich die deutsche Nummer eins nach nachdenklichen Tönen in den vergangenen Wochen nun keine Selbstzweifel mehr anmerken. «Ich möchte schon irgendwann einen Pokal bei einem Grand Slam gewinnen, das ist keine Frage», formulierte er zum Schluss einer Medienrunde.

Die Rolle Zverevs beim Sandplatzklassiker im Stade Roland Garros hat sich gewandelt. Statt wie die Turnier-Favoriten auf einem großen Podium vor der Weltpresse zu sprechen, saß Zverev vor seinem Auftakt abseits der Scheinwerfer im Medienbereich auf einem weißen Stuhl an einem kleinen Tisch vor tropischen Zimmerpflanzen. «Es ist angenehm, auch mal anders hier zu sein. Ich werde immer als einer der großen Favoriten bei diesen Turnieren gesehen», analysierte Zverev seine eigene Rolle. «Jetzt sieht man mich vielleicht nicht so, auch wenn ich mich sehr, sehr gut fühle.»

Djokovic macht Zverev Mut

Zumindest Rivale Novak Djokovic hat seinen deutschen Kontrahenten jedoch immer auf der Titelrechnung. «Er weiß, wie man große Turniere spielt, er kann immer gegen jeden Schaden anrichten», sagte der zweimalige Paris-Sieger.

Zuletzt klappte dies jedoch bei den Masters, der zweithöchsten Turnierkategorie, in den Duellen mit den Top-Namen nicht. Gegen den Russen Daniil Medwedew reichte es mehrfach knapp nicht zum Sieg, vom Weltranglistenersten Carlos Alcaraz aus Spanien gab es auf Sand eine Lehrstunde. Sollte Zverev bei den French Open früh scheitern, droht ein herber Absturz in der Weltrangliste.

Nun soll auch ein Wechsel auf der Trainerposition die Wende bringen. Statt dem früheren French-Open-Sieger Sergi Bruguera gibt wieder Vater Alexander Zverev senior beim Training die Anweisungen. «Meinungsunterschiede» führten zur Trennung mit dem Spanier, mehr Mut im Spiel ist das ausgewiesene Ziel. «Ich möchte wieder auf meinen Weg gelangen, ich möchte wieder an die Weltspitze gelangen», sagte Zverev. Der Beginn dafür soll am Dienstag erfolgen.

Von Florian Lütticke, dpa