25. November 2024

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Buhrufe gegen Ukrainerin Kostjuk: Sollten sich «schämen»

Gleich zu Beginn der French Open kommt es zu einem Eklat. Die Ukrainerin Marta Kostjuk wird für einen verweigerten Handschlag mit ihrer Gegnerin aus Belarus ausgebuht. Die Reaktion fällt deutlich aus.

Marta Kostjuk würdigte ihre Kontrahentin keines Blicks. Schnellen Schrittes ging die Ukrainerin nach der Niederlage gegen Aryna Sabalenka aus Belarus zum Auftakt der French Open am Netzpfosten vorbei und verweigerte den im Tennis üblichen Handschlag.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs protestiert Kostjuk so in Partien gegen Spielerinnen aus Russland und Belarus gegen deren Teilnahme an Turnieren. Die überraschende Reaktion des Publikums auf dem Court Philippe-Chatrier ließ gleich das erste Match zum großen Politikum werden.

«Leute sollten sich ehrlich schämen»

Unter Buhrufen und Pfiffen nicht weniger Zuschauer ging Kostjuk nach dem 3:6, 2:6 vom Platz, nur etwas Applaus mischte sich in die Unmutsbekundungen. «Was heute passiert ist, habe ich nicht erwartet. Ich habe keine Reaktion dazu, aber die Leute sollten sich ehrlich schämen», sagte die 20-Jährige. «Ich will sehen, wie die Leute in zehn Jahren reagieren, wenn der Krieg vorbei ist. Ich denke, sie werden sich dann nicht gut deswegen fühlen.»

Im Gegensatz zu anderen Sportarten dürfen im Tennis Spielerinnen und Spieler aus Russland und Belarus antreten, weil diese als unabhängig von ihren Staaten gewertet werden. Dies sorgt seit mehr als einem Jahr für Debatten.

Mit eindrücklichen Worten beschrieb Kostjuk, wie sie um fünf Uhr morgens vor dem Spiel Nachrichten auf dem Handy über einen der schwersten Drohnenangriffe Russlands seit Monaten, der hauptsächlich ihrer Heimatstadt Kiew galt, gelesen hatte. «Das ist Teil meines Lebens. Es ist etwas, das ich wahrscheinlich nicht beschreiben kann.»

Kurz vor Kostjuk schilderte auch Sabalenka der Weltpresse ihre Sicht. Dabei äußerte die 25-Jährige Verständnis für den Verzicht auf einen Handschlag. «Ich kann mir vorstellen, was mit ihnen von ukrainischer Seite passiert, wenn sie uns die Hand geben», sagte die Australian-Open-Gewinnerin und äußerte sich zu den Buhrufen. «Ich denke, dass sie es nicht verdient hat, auf diese Art den Platz zu verlassen.»

Sabalenka zeigt Verständnis: Niemand unterstützt den Krieg

Nach der Partie hatte Sabalenka zunächst überrascht auf den Unmut des Publikums reagiert und sich in Richtung der Zuschauer verneigt. Sie habe zunächst gedacht, dass die Buhrufe ihr gelten würde, berichtete sie anschließend.

Die Frage zu ihrer Meinung über den Krieg beantwortete sie ähnlich wie bereits zuvor mehrmals. «Niemand auf dieser Welt, russische Athleten oder belarussische Athleten, unterstützt den Krieg», sagte Sabalenka. «Falls es irgendwie den Krieg beeinflussen könnte, falls es ihn beenden könnte, würden wir es tun. Aber leider liegt es nicht in unseren Händen.»

Zu wenig aus Sicht von Kostjuk. «Ihr solltet diese Spieler fragen, wer aus ihrer Sicht den Krieg gewinnen sollte», sagte sie zu den Reportern. «Ich bin mir nicht sicher, dass sie sagen werden, dass sie wollen, dass die Ukraine gewinnt.»

Das Thema des Kriegs wird auch rund um das nächste Grand-Slam-Turnier heftig diskutiert werden. Im vorigen Jahr waren Profis aus Russland und Belarus beim Rasen-Klassiker in Wimbledon noch verbannt worden – nun dürfen sie starten. «Ich habe dort viel Unterstützung gefühlt, deshalb bin ich mir sicher, dass sie anders reagieren», sagte Kostjuk mit Blick auf die Zuschauer in London. Sie hoffe, dass die Profis aus Russland und Belarus keine Visa für die Einreise in das Vereinigte Königreich erhalten und dann doch außen vor bleiben müssen. «Das ist die einzig vernünftige Idee.»

Von Florian Lütticke, dpa