Sogenannte «Zerreißproben» kennt der deutsche Profifußball nur zu gut, insbesondere wenn es um viel Geld geht. Nach dem geplatzten Milliarden-Deal der DFL scheint der Richtungsstreit unter den 36 Vereinen aber so festgefahren, dass der Bruch zwischen Groß und Klein eine Drohkulisse in neuer Größenordnung ist.
Die Branchenführer FC Bayern München und Borussia Dortmund sehen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit akut gefährdet – und bislang ist die wichtigste Schlichtungsstelle ab dem 30. Juni unbesetzt. Die größeren Clubs werden sich «sicherlich auch darüber Gedanken machen, wie es für sie weitergeht», sagte DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke, in Personalunion Vorsitzender der BVB-Geschäftsführung, am Ende der Pressekonferenz in Frankfurt/Main. Leicht angesäuert fügte er hinzu, mit «Solidaritätsthemen» solle ihm «bitte die nächste Zeit niemand mehr» kommen.
Bleibt die Liga wettbewerbsfähig?
Das öffnete den Raum für Spekulationen und Gedankenspiele, etwa die Neuorganisation der Bundesliga ohne den Unterbau der 2. Liga wie in der superreichen englischen Premier League. Oder die (teilweise) Vermarktung der Großclubs in Eigenregie, die in Spanien bis vor ein paar Jahren zur enormen Unwucht innerhalb der Primera División geführt hatte. «Vielen in der Liga ist das Thema Wettbewerbsfähigkeit offenbar nicht so wichtig, sonst hätte man den Weg ja frei machen können (für den Investoreneinstieg)», sagte Watzke.
Bislang werden die Einnahmen im Profifußball über die Zentralvermarktung der DFL generiert und ausgeschüttet: Einer verhandelt für alle. Auch daher der Begriff der «Solidargemeinschaft». Gestritten wird dann regelmäßig über die genaue Verteilung der Gelder, aus den nationalen Einnahmen sind es momentan im Schnitt 1,1 Milliarden Euro pro Saison. Das aktuelle Säulenmodell, mit dem leicht weniger als die Hälfte nach Leistung verteilt wird, läuft nach der Saison 2024/25 aus.
Vom Einstieg eines Investors hatte sich die DFL-Spitze insbesondere auch den Anschub der bislang im Vergleich zu den anderen Topligen wenig ertragreichen Auslandsvermarktung erhofft. «Ziel war es, die Bundesliga und die Zweite Bundesliga zu stärken», sagte Bayern-Chef Oliver Kahn der Deutschen Presse-Agentur. Watzke äußerte: «Meine Leute haben mir relativ deutlich die letzten Monate ausgerechnet, was das Borussia Dortmund jährlich kosten würde – und bei Bayern war es ähnlich.»
Zweidrittelmehrheit nicht erreicht
Von den 36 Vereinen – 18 Bundesligisten und 18 Zweitligisten – hatten zwar 20 Clubs für den Investorenprozess gestimmt, elf waren aber dagegen, fünf enthielten sich. Nötig gewesen wäre eine Zweidrittelmehrheit. Nach den öffentlichen Bekundungen des 1. FC Köln und des VfB Stuttgart gegen die DFL-Pläne ist der Schnitt aber nicht klar an der Ligengrenze zu ziehen. «In der Bundesliga haben ungefähr zehn Clubs internationale Ambitionen», sagte der ehemalige DFL-Chef Christian Seifert am Mittwochabend bei einer Veranstaltung der Frankfurter Kanzlei Klinkert. Die Entscheidung gegen einen Investor werde «dazu führen, dass es ein paar Clubs international noch schwerer haben werden».
Der 54-Jährige gilt seit seinem Abschied Ende 2021 als Bestbesetzung für den Geschäftsführerposten. Nachfolgerin Donata Hopfen ging noch während der Vorbereitung der Investorengespräche glücklos, die seitdem führenden Interimschefs Axel Hellmann (Eintracht Frankfurt) und Oliver Leki (SC Freiburg) müssen den geplatzten Deal auch als Niederlage verstehen, beide hören Ende Juni auf.
«Für uns ist klar, dass wir im Juli einen neuen CEO präsentieren werden», sagte Watzke am Mittwoch. Im Gespräch soll dem Vernehmen nach Bayern-Vorstand Jan-Christian Dreesen sein, der aber auch in den Zukunftsplänen des kriselnden Rekordmeisters selbst eine Rolle spielen soll. Der oder die Neue muss in den kommenden Monaten vermitteln und schlichten, zumal die bedeutsame Ausschreibung der Medienrechte ab 2025 ansteht.
«Niederlage für die Zentralvermarktung»
«Die Clubs haben Kapitalbedarf, der sieht bei den Zweitligisten anders aus als bei den international spielenden Vereinen», sagte Hellmann und bezeichnete die Absage an die Investorenpläne als «Niederlage für die Zentralvermarktung». Die Entscheidung «lässt die Schere innerhalb der Bundesliga eher auseinandergehen». Leki prophezeite: «Man muss sich der Konsequenzen bewusst sein: in den nächsten zwei Jahren wird das ein kompliziertes Unterfangen.» Die Kritiker des Investorenplans, zu denen auch laute Teile der Fans gehören, setzen einen anderen Schwerpunkt.
Sie fordern eine Fortsetzung der Debatte, wie die Liga auf anderen Wegen das benötigte finanzielle Wachstum sicherstellen kann. «Nur aus kontroverser Diskussion heraus entsteht signifikante Weiterentwicklung. Deshalb stehen wir als FC Schalke 04 dafür, den Diskurs nun nicht einzustellen, sondern zu intensivieren», appellierte der Vorsitzende des Revierclubs, Bernd Schröder. Ähnliche Töne schlug Oke Göttlich, Präsident des Zweitligisten FC St. Pauli, an. «Wir müssen erst eine klare Strategie entwickeln, gemeinsam und konstruktiv – und dann können wir diese gezielt finanzieren, um unsere klar definierten Ziele zu erreichen», sagte Göttlich.
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