Überraschende Wende in der Sommermärchen-Affäre: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat das Ende Oktober 2022 vom Landgericht Frankfurt eingestellte Verfahren gegen die früheren DFB-Funktionäre Horst R. Schmidt, Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung wieder in Gang gesetzt.
Das OLG teilte mit, dass der ergangene Einstellungsbeschluss des Landgerichts aufgehoben und das Verfahren fortzuführen sei. Damit dürfte es bei der bislang dürftigen Aufarbeitung der Geschehnisse rund um die Fußball-WM 2006 doch noch zu einem juristischen Nachspiel vor einem deutschen Gericht kommen. Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Angeklagten Hinterziehung bzw. Beihilfe zur Hinterziehung von Körperschaftssteuer, Solidarzuschlag, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2006 vor.
Das Trio soll bewirkt bzw. daran mitgewirkt haben, dass die Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 6,7 Millionen Euro an den Weltverband FIFA «zu Unrecht als Betriebsausgabe des DFB im Jahr 2006 ertrags- und steuermindernd verrechnet worden sei», heißt es in der Mitteilung des Oberlandesgerichts.
Zwanziger gelassen
Ex-DFB-Präsident Zwanziger reagierte gelassen auf diese Entscheidung. «Seit fast vier Jahren wird die Anklage zum Nachteil der Betroffenen zwischen den Gerichten hin- und hergeschoben. Darüber kann man nur den Kopf schütteln», sagte der 77-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Seiner Ansicht nach gehe es bei dem Fall «nur um die Bewertung, ob 2006 überhaupt eine Steuerhinterziehung stattgefunden haben kann. Das kann nicht der Fall sein, weil es keine Verkürzung der Steuer gegeben hat», bekräftigte Zwanziger seine Unschuld. Der ehemalige DFB-Generalsekretär Schmidt und Ex-DFB-Boss Niersbach hatten ebenfalls stets alle Vorwürfe zurückgewiesen.
Das Landgericht hatte das Verfahren am 27. Oktober vergangenen Jahres wegen des zu beachtenden Doppelbestrafungsverbots eingestellt, nachdem zuvor ein Verfahren in der Schweiz gegen die Beschuldigten wegen Betrugs bzw. Gehilfenschaft zum Betrug aufgrund der Verjährung eingestellt worden war. Begründet wurde dies vom Landgericht damit, dass es sich bei den angeklagten Taten um dieselbe Tat im Sinne des Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens handele. Diese Ansicht teilt das OLG nicht. Es handele sich nicht um einen Komplex «unlösbar miteinander verbundener Tatsachen», auch wenn beide Anklagen an einen zusammenhängenden historischen Gesamtkomplex anknüpfen würden.
Geld für Gala, die nicht stattfand
Im Kern ging es um eine Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro des DFB über den Weltverband FIFA an den inzwischen gestorbenen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus. Das Geld wurde als Beitrag für eine Gala zur WM 2006 deklariert, die nie stattfand. Im Jahr 2002 hatte Franz Beckenbauer in seiner Funktion als WM-OK-Chef ein Darlehen von Louis-Dreyfus in gleicher Höhe erhalten, das letztlich auf Konten des einstigen FIFA-Finanzfunktionärs Mohamed bin Hammam verschwand. Wofür – das ist bis heute unklar.
Das OLG verwies darauf, dass den Angeklagten im schweizerischen Verfahren zur Last gelegt worden sei, sie hätten Mitglieder des damaligen WM-OK über den wahren Grund der Zahlung von 6,7 Millionen Euro getäuscht. «Im hiesigen Verfahren werde den Angeklagten dagegen zur Last gelegt, die Zahlung unberechtigt als Betriebsausgabe in die Gewinnermittlung des DFB einbezogen zu haben», begründete das OLG seine Entscheidung.
«Mir ist die Bewertung des Schengener Abkommens völlig egal», sagte Zwanziger dazu. Viel wichtiger sei ihm, dass das Verfahren zu einem baldigen Abschluss komme. «Es liegt mir sehr viel daran, dass es jetzt schnell zu einer mündlichen Verhandlung vor einem Gericht kommt», bekräftigte der frühere DFB-Boss.
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