Die Geschichte mit Pep Guardiola ist nun schon fast zehn Jahre alt, aber sie erzählt noch immer viel über Roger Schmidt und seinen Fußball.
Anfang 2014 trifft der Trainer Schmidt mit RB Salzburg auf den FC Bayern München und fegt mit 3:0 über den Champions-League-Sieger hinweg. Es ist nur eine Testspiel-Niederlage, trotzdem lässt sie den damaligen Bayern-Coach Guardiola staunen. Einen so aggressiven Offensivfußball habe er «noch nie erlebt», sagte der verblüffte Spanier. Mittlerweile arbeitet Schmidt längst nicht mehr in Salzburg, sondern für Benfica Lissabon. Und heute sagen seine größten Konkurrenten wie Sporting-Trainer Rúben Amorim: Schmidts Benfica ist Portugals beste Mannschaft seit Jahren.
Daran ändert auch die 1:2-Niederlage gegen den FC Porto am Karfreitag nichts, Portugals Rekordmeister strebt mit sieben Punkten Vorsprung auf den ersten Verfolger dem nächsten Titel entgegen. Und der Traditionsclub will auch international weiter für Furore sorgen: In der Champions League spielt Benfica ab Dienstag (21.00 Uhr/DAZN) gegen Inter Mailand um den erstmaligen Einzug ins Halbfinale. Das alles schreiben sie in Lissabon der Arbeit des 56-jährigen Westfalen zu, den nicht wenige in der Hauptstadt längst «O grande Schmidt» nennen.
Umschaltfußball à la Schmidt
Der große Schmidt sitzt am vergangenen Donnerstag auf dem Podium im Presseraum des Trainingsgeländes in Seixal. Er trägt das goldene Trainingsshirt von Benfica, er strahlt auch im Moment großen Erfolgs diese deutsche Seriosität aus, für den sie ihn hier schätzen. Spektakuläre Antworten gibt er zwar auch an diesem herrlichen Frühlingstag nicht. Umso spektakulärer ist dafür sein fußballerischer Ansatz. Nicht nur Trainer-Rivalen wie Amorim zeigen sich beeindruckt vom schnellen Umschaltfußball à la Schmidt. Von der Aggressivität, mit der die Gegner attackiert werden. Von der Geschwindigkeit, mit der nach Ballgewinn auf den Torerfolg hingearbeitet wird.
Die Zahlen dazu lesen sich beeindruckend: Kein Team hat in der Liga mehr Tore geschossen (68) als Benfica, keines hat weniger kassiert (16). In der Königsklasse belegte der Club aus dem gleichnamigen Lissabonner Stadtteil vor Juventus Turin und Paris Saint-Germain ohne Niederlage den ersten Platz. Anschließend wurde der FC Brügge im Achtelfinale überrollt. Ins Viertelfinale des Wettbewerbs ist Benfica schon öfter eingezogen. Aber nie so dominant. «Wir werden Titel jagen», kündigte Schmidt nach seiner Vertragsverlängerung bis 2026 an. «Für mich war es eine klare Entscheidung, länger bei Benfica zu bleiben.»
Benfica-Fans verblüfft
Denn mal ehrlich: Was will man als Trainer eigentlich mehr? Gemeinsam mit seiner Frau lebt der ausgebildete Maschinenbauingenieur in einer der Städte mit der höchsten Lebensqualität Europas. Schmidt genießt in Lissabon eine Wertschätzung, wie er sie trotz erfolgreichen Fußballs mit Bayer Leverkusen in der Bundesliga nie erlebt hat. Nach Jahren der Tristesse, nach Meistertiteln für Sporting und Porto, sehnten sich die «Benfiquistas» nach einem Coach, der ihnen den Erfolg zurückbringt. Also verpflichtete Präsident Rui Costa diesen Schmidt, und erst mal waren die Fans verblüfft. Denn sie wussten gar nicht, wer das ist.
«Ich kannte ihn vorher noch nicht», gab selbst Kapitän und Weltmeister Nicolás Otamendi kürzlich zu. Aber auch der Argentinier ließ sich schnell überzeugen. «Er ist ein Trainer mit sehr klaren Ideen, der den Spielern viel Vertrauen gibt. Auch das Training ist gut, und er hat Persönlichkeit.» Zu der zählt auch, sich nicht zu früh zufriedenzugeben. Erst wenn es rechnerisch klar sei, lasse er sich zum Meistertitel gratulieren, sagte Schmidt vor dem Rückschlag gegen Porto. Auch dafür schätzen sie ihn hier: für seine Ernsthaftigkeit.
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