24. November 2024

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Flicks Experimente schlagen an: Belgien «anderes Kaliber»

Der Anfang ist geglückt. Der Bundestrainer freut sich gegen Peru über einen Sieg, ein «griffiges» Team, zwei schöne Tore und die Null hinten. Die Mittelstürmer-Leerstelle wird im neuen System gefüllt.

Beim Blick aus dem Teamhotel auf die Frankfurter Bankentürme konnte Hansi Flick zum Start in die Sommerzeit bei der Aufbereitung des Peru-Spiels viel Positives auf der Habenseite verbuchen.

Nach dem ersten kleinen Versöhnungsakt mit den Fans beim 2:0 (2:0) in Mainz gegen den klug gewählten Aufbaugegner aus Südamerika kann der nach dem WM-Flop auf Bewährung arbeitende Bundestrainer seine teilweise skeptisch beäugte personelle und taktische Zeitenwende Richtung Heim-EM 2024 erst einmal vorantreiben.

Im DFB-Quartier musste nur ein organisatorischer Krisenplan aufgestellt werden. Der große Warnstreik in Deutschland an diesem Montag verändert auch die geplanten Abläufe im Vorfeld des hochkarätigen zweiten Tests am Dienstag (20.45 Uhr/RTL) gegen Belgien in Köln. Die 200 Kilometer vom Main an den Rhein werden nach dem Training auf dem DFB-Campus nun im Mannschaftsbus statt mit der Deutschen Bahn bewältigt und zeitlich je nach Verkehrslage nach hinten verschoben. Am Sonntagnachmittag gab Flick seinen Spielern frei.

Durchkreuzt wurde im Tagesverlauf aber Flicks Plan, gegen Belgien «überwiegend» wieder das Siegerteam von Mainz aufzustellen. Kai Havertz (grippaler Infekt) und der gegen Peru kurz vor Schluss mit einem bandagierten linken Oberschenkel ausgewechselte Dortmunder Nico Schlotterbeck (Muskelprobleme) mussten vorzeitig abreisen. Sie fallen aus. Der Bundestrainer wird also notgedrungen doch mehr umbauen müssen, als er wollte.

Torgaranten und Fan-Liebling Füllkrug

Im ausverkauften Mainzer Stadion hatte Flick von seinem runderneuerten Team um den neuen Torgaranten und Fan-Liebling Niclas Füllkrug das bekommen, was er in den Tagen zuvor einstudieren ließ und im Wettkampf umgesetzt sehen wollte. «Wir haben einen guten Start mit einem Sieg. Die Mannschaft hat mit sehr viel Leidenschaft agiert. Wir waren 90 Minuten griffig. Wir haben vorne zwei schöne Tore gemacht und haben hinten kein Tor bekommen, das war unser Ziel. Das haben wir gefordert», bilanzierte Flick zufrieden.

Ähnlich lauteten die Resümees der Spieler. Kein Grund zur Euphorie, aber doch eine leise formulierte Aufbruchstimmung. «Ich bin happy. Nach dem, was bei der WM passiert ist, war es wichtig, dass wir gut reinkommen», sagte Marc-André ter Stegen, die neue Nummer 1 im Tor. «Es ging um einen guten Start ins Länderspieljahr und darum, die Fans mitzunehmen», betonte auch Füllkrug, dem beim Startelfdebüt der erste Doppelpack im Nationaltrikot gelang und der sich auch dank seiner Quote (5 Länderspiele, 5 Tore) den Status als gesetzter Offensivakteur erarbeitet. Deutschland spielt wieder mit einem echten Mittelstürmer.

«Niclas hat es im Stile eines Torjägers gemacht, einer Neun, die alle immer wieder nachgefragt haben», sagt Flick zu «Lücke», der die langjährige Leerstelle im einstigen Land der Mittelstürmer füllt. Der Matchwinner profitierte auch von der Systemumstellung hin zu einem 4-2-2-2 mit zwei Spitzen und zwei offensiven Freigeistern dahinter. Besonders für den spielfreudigen Räumeöffner Kai Havertz scheint so endlich eine Rolle gefunden zu sein. «Es hat uns gutgetan, dass wir immer wieder die Box besetzt haben», befand Kapitän Joshua Kimmich, ausnahmsweise der einzige Bayern-Profi in der Anfangsformation.

Mangelnde Chancenverwertung

Ein Kritikpunkt bleibt die Chancenverwertung. Serge Gnabry traf in der schwächeren zweiten Hälfte spektakulär die Latte, Havertz schoss einen Elfmeter an den Pfosten. Dafür stand die Abwehr um die Innenverteidiger-Probanden Matthias Ginter und Nico Schlotterbeck stabil. «Es war uns ein Anliegen, ein Schwerpunkt, dass die Null steht», sagte Flick.

Ein Lichtblick war auch der Dortmunder Debütant Marius Wolf auf der Problemposition des rechten Verteidigers. «Marius hat sehr viel Dynamik entfacht mit seiner Geschwindigkeit», lobte Flick. Den Bundestrainer erfreute besonders das zweite Tor, als Wolf die Flanke genau dahin gespielt habe, «wo sie hinkommen soll, zwischen Abwehr und Torwart». Und Füllkrug in bester Neuner-Manier vollendete.

Der WM-Kater ist nach einem Sieg natürlich nicht verflogen, eine erfolgreiche Heim-EM mit den eingeleiteten personellen und inhaltlichen Veränderungen nicht garantiert. Die Fans müssen nachhaltig beglückt werden. Etwas mehr als sechs Millionen schauten im ZDF zu. Und die 25.358 Zuschauer in der ausverkauften Mainzer Arena bejubelten die Tore und spendeten freundlichen Beifall auf der Stadionrunde von Füllkrug und Co. nach dem Spiel.

Nun gegen Belgien

«Nach den schlechten Turnieren in den vergangenen Jahren ist es selbstverständlich, dass nicht ganz Deutschland hinter uns stehen wird und dass man das auch in den Stadien merken wird. Wir müssen sie ein bisschen ins Boot holen», befand Havertz.

Als sportlicher Wegweiser in die Zukunft taugte das Fußball-Leichtgewicht Peru nicht. Das weiß auch Flick. «Belgien ist ein anderes Kaliber. Ich bin froh, dass wir im zweiten Spiel so einen Gegner haben. Der wird uns noch mal mehr fordern. Und an Aufgaben kann man sich bekanntlich steigern», sagte er. Die Belgier starteten nach ihrer WM-Enttäuschung mit dem neuen Trainer Domenico Tedesco, dem neuen Kapitän Kevin De Bruyne und dem dreifachen Torschützen Romelu Lukaku mit einem 3:0 in Schweden top in die EM-Qualifikation.

Flick wird Havertz und Schlotterbeck in der Startformation ersetzen müssen. Ansonsten baut er auf einen Stamm um ter Stegen, Kimmich und auch Füllkrug. «Wir brauchen eine gewisse Stabilität, das heißt, wir brauchen Spieler, die wissen, dass sie spielen.»

Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa