Seit 2007 warten die DHB-Frauen auf eine WM-Medaille.

Der DJ in der Dortmunder Westfalenhalle hatte keinen Zweifel an einer erfolgreichen Medaillenmission der deutschen Handballerinnen. Der Party-Hit «Der Zug hat keine Bremse» dröhnte durch die Lautsprecherboxen, als über 10.000 Fans das DHB-Team frenetisch Richtung WM-Viertelfinale verabschiedeten. Legt die deutsche Riege am Dienstag (17.15 Uhr/ZDF) gegen Brasilien eine Vollbremsung hin oder rollt der Tross weiter zum Finalwochenende nach Rotterdam?

«Das wird ein Big Game. Der Weg ins Halbfinale ist vorgezeichnet», sagte Rückraumspielerin Emily Vogel nach dem 29:25 zum Hauptrundenabschluss gegen Spanien. Die 27-Jährige erwartet ein «Gänsehautspiel vor einer herausragenden Kulisse». Von einer «super Chance» und dem größten Spiel ihrer Karriere sprach Kapitänin Antje Döll. Xenia Smits nannte das K.o.-Spiel im Free-TV eine «Riesenmöglichkeit für den deutschen Frauenhandball».

Das DHB-Team befindet sich in einem fulminanten WM-Rausch. Die Frage ist: Wann setzt der Kater ein? Sechs Spiele, sechs souveräne Siege lassen Spielerinnen, Trainerteam und Fans gleichermaßen vom ersten Wintermärchen seit WM-Bronze 2007 träumen. Der Glaube sei «unnormal groß», berichtete Vogel und strahlte dabei puren Optimismus aus. 

Döll: «Wir müssen keine Angst haben»

Gegen Brasilien, das sein abschließendes Hauptrundenspiel deutlich gegen Olympiasieger Norwegen verlor, ist das DHB-Team Favorit. «Brasilien wird ähnlich wie Spanien. Aber wir müssen keine Angst haben», appellierte Döll an ihre Teamkolleginnen. 

Niemand in der deutschen Auswahl kann sich daran erinnern, wann das Selbstvertrauen zuletzt so groß war. «Ich habe ein Gefühl, das hatte ich vor noch keinem anderen Turnier. Wir haben uns extrem viel Selbstvertrauen erarbeitet. Jeder bringt seine Leistung und ist zu 100 Prozent da und bereit. Das Gefühl in dieser Mannschaft ist nicht vergleichbar mit den Gefühlen zuvor», berichtete Döll, die seit März Kapitänin ist. 

Rekord-Kulisse in Dortmund

Die Abwehr um die aggressive Aimée von Pereira lässt wenig zu. Torhüterin Katharina Filter ist der gewohnt starke Rückhalt. Und auch die langen Einheiten, die das Tempospiel verbessern sollten, zahlen sich aus – auch wenn das Spiel gegen Spanien phasenweise von einigen Fehlern im Abschluss geprägt war. Am Ende bestand man den Stresstest, wie Gaugisch das letzte Hauptrundenspiel betitelte, souverän. 

Der Handball begeistert auch die Fans. 10.522 Zuschauer waren am Samstag dabei – so viele wie noch nie bei einem Pflichtspiel der deutschen Frauen im eigenen Land. Während des Spiels schwappte eine La Ola durch die Arena, hunderte Deutschland-Fahnen rahmten das Parkett ein.

Auch eine Stunde nach Abpfiff warteten Fans – vor allem Kinder – geduldig vor der Interviewzone und bettelten um Autogramme und Selfies. Viele Zuschauer kamen in den pinken Sondertrikots. Die eigens zur WM gestartete DHB-Kampagne «Hands up for more» – eine Bewegung für die nachhaltige Entwicklung des Frauenhandballs – scheint Wirkung zu zeigen. 

Erstmals im Free-TV: «Wir können viel gewinnen»

Und am Dienstag wird die Bühne noch größer – nicht in der Dortmunder Westfalenhalle, sondern vor den Bildschirmen. Erstmals bei dieser WM läuft ein Spiel im Free-TV. Bislang waren die Partien ausschließlich beim Streaming-Dienst Sporteurope.TV zu sehen. DHB-Präsident Andreas Michelmann hatte diese Situation als «eine Schande» bezeichnet. Ein mögliches Halbfinale und Finale würden in der ARD laufen.

Für Bundestrainer Gaugisch ist die zusätzliche Aufmerksamkeit Ansporn, das Herz auf dem Parkett zu lassen. «Das hat schon eine hohe Bedeutung, weil wir sehr, sehr viel gewinnen können. Wir können uns hier zu Hause präsentieren. Ich spüre null Komma null Last», betonte er.

Klar ist, dass am Dienstag der bislang härteste Gegner im Turnier auf die deutsche Auswahl wartet. Umso wichtiger ist die Unterstützung der Fans. «Alle, die hierherkommen, müssen ihre Rolle kennen. Sie unterstützen uns, machen Druck auf den Gegner. Auf diese Atmosphäre hoffe ich. Denn wenn wir dieses Spiel gewinnen, haben wir alle etwas geleistet», schickte der Bundestrainer als klaren Arbeitsauftrag an die deutschen Anhänger.