Thomas Reis weiß natürlich genau, was ihn und den FC Schalke 04 erwartet. Der aktuelle Schalke-Trainer war 16 Jahre lang Teil des VfL Bochum, er lebt seit fast 20 Jahren – mit kleinen Unterbrechungen – in der Nachbarstadt Gelsenkirchens und ist auch familiär noch mit dem VfL verbunden: Seine Frau Carina spielt für die Bochumer Frauen.
Am Samstag (15.30 Uhr/Sky) steht für Reis nun sein wohl persönlich unangenehmstes Spiel an, seit Bochums Ex-Coach im vergangenen Herbst beim ungeliebten Nachbarn Schalke anheuerte. «Uns wird wohl nicht viel Liebe entgegenschlagen», sagte Reis selbst.
Das dürfte noch untertrieben sein, auch wenn er in den Tagen vor seiner brisanten Rückkehr um Sachlichkeit und Ruhe bemüht war. «Die Trennung war sehr unschön. Jetzt wird darauf gewartet, dass vielleicht pikante Aussagen kommen. Aber für mich steht das Spiel im Mittelpunkt», sagte Reis: «Mir ist es wichtig, dass es ein friedvolles Derby wird – unabhängig von meiner persönlichen Vergangenheit.»
Derby mit vielen Emotionen
Weniger diplomatisch, dafür recht realistisch erwartet VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig die Stimmung im Stadion. «Ich denke, dass sich auf den Rängen viele Emotionen auch auf ihn fokussieren. Aber das ist Teil des Derbys, das befeuert Thomas Reis selbst ja auch», sagte Kaenzig in einem Interview der Funke Mediengruppe. Letzteres bezieht er anscheinend darauf, dass der langjährige Bochumer Reis nun Coach beim ungeliebten Reviernachbarn ist und zur sportlichen Brisanz im Duell beider Konkurrenten im Abstiegskampf eben die besonderen Umstände der Trennung von Reis im vergangenen September kommen.
Nach drei harmonischen Jahren war im vergangenen Spätsommer durchgesickert, dass der damalige VfL-Coach nach dem Schalker Aufstieg gerne schon in der Sommerpause zu den Königsblauen gewechselt wäre. Reis bestritt dies vehement und legte mit dem VfL einen kolossalen Fehlstart in die Saison hin. Nach sechs Niederlagen aus den ersten sechs Spielen – und einer Pleite im Derby auf Schalke – wurde Reis begleitet von vielen Misstönen beurlaubt. Bereits im Oktober heuerte er dann doch auf Schalke als Nachfolger des glücklosen Frank Kramer an. Die Bochumer Fanseele kochte, Enttäuschungen auf beiden Seiten blieben.
«Mein Wunsch ist es, dass irgendwann mal keine Giftpfeile mehr fliegen. Dass wir so weit kommen, dass sich alle aussprechen und Frieden schließen. Vor dem Derby ist das sicherlich schwierig», sagte Kaenzig. Bochums Sportdirektor Patrick Fabian appellierte bereits an den Anhang, nach dem Becherwurf vor einem Jahr gegen Borussia Mönchengladbach die Emotionen bloß im Griff zu behalten: «Leidenschaft und Emotionen sehr, sehr gerne. Aber nicht über Maß hinaus. Wir stehen nach Gladbach unter Beobachtung, das sollte sich jeder vor Augen führen.»
Brisanz im Abstiegsduell
Befeuert wird die Brisanz von der sportlich prekären Situation beider Teams. Schalke ist trotz des Aufschwungs der vergangenen Wochen immer noch Letzter mit 16 Punkten, kann aber mit einem Sieg am aktuell Vorletzten Bochum (19) vorbeiziehen. «Es ist kein Endspiel. Aber es ist ein wichtiges Spiel. Aufgrund der Tabellensituation und aufgrund der Rivalität der beiden Mannschaften. Nicht mehr und nicht weniger», sagte Bochums Coach Thomas Letsch, der Reis zudem für dessen Arbeit auf Schalke lobte: «Er hat es geschafft, die Mannschaft brutal zu stabilisieren. Sie glauben wieder an sich. Das ist ein bisschen vergleichbar mit dem, was bei uns am Anfang passiert ist.» Nur zuletzt zeigte die Formkurve des VfL mit drei Niederlagen aus den vergangenen drei Spielen wieder nach unten.
Trotz des wichtigen 2:1 am vergangenen Wochenende gegen den VfB Stuttgart liegt der Druck dennoch mehr auf Schalke, die weiter zum Siegen verdammt sind. Allerdings hat Schalke nicht die besten Erinnerungen an Bochum. 2001 und 2007 ließ der Club jeweils wichtige Punkte beim VfL liegen. Damals kämpften die Königsblauen aber noch um den Meistertitel.
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