Den ersten großen Namen hat Alexander Zverev bei den Australian Open schon mal besiegt. Beim Training am Donnerstag schlug der Tennis-Olympiasieger im Melbourne Park mit Basketball-Ikone Dirk Nowitzki ein paar Filzbälle – wenig überraschend mit klaren Vorteilen für Zverev.
«Und, kannst du?», hatte der Hamburger seinen prominenten Trainingspartner vorher an der Seitenlinie gefragt. Nowitzki, in der Jugend einst unterfränkischer Tennis-Meister, antwortete leicht verlegen: «Also, wenn du genau zu mir hinspielst…».
Wichtiger als das PR-Training gegen die deutsche Sportikone war für Zverev aber das hochintensive Trainingsspiel kurz zuvor unter strahlender Nachmittagssonne gegen Kumpel Dominic Thiem – und natürlich die zeitgleiche Auslosung. Die bescherte Zverev für das Comeback auf der Grand-Slam-Bühne den Qualifikanten Juan Pablo Varillas, der es nach einer Niederlage nur über die Lucky-Loser-Regelung ins Hauptfeld geschafft hat, als Erstrundengegner. So weit, so gut. Dass danach in Melbourne deutlich stärkere Kontrahenten warten und im Halbfinale ein Duell gegen Titelfavorit Novak Djokovic möglich wäre, dürfte Zverev aktuell kaum beschäftigen. Nach langer Verletzungspause denkt er nur von Spiel zu Spiel.
Suche nach Form
«Für mich geht es darum, wieder zu meiner gewohnten Form zurückzukommen», hatte der 25-Jährige kürzlich über sein Hauptziel beim Hartplatz-Turnier gesagt. Seine große Sehnsucht nach dem ersten Grand-Slam-Triumph? Bleibt vorerst wohl ungestillt. Es sei laut Zverev «unrealistisch» und sogar «ziemlich dumm», jetzt den Titel von ihm zu erwarten. Nach seinen jüngsten Leistungen hat ihn ohnehin kaum jemand als Sieganwärter auf der Rechnung.
Dass sich Zverev vier Tage vor Turnierstart ausgerechnet mit Thiem ein Trainingsmatch lieferte, ist fast schon symbolträchtig. Der Österreicher sucht nach einer langen Verletzungspause seit Monaten vergeblich nach seiner Top-Form, in Melbourne darf der US-Open-Gewinner von 2020 nur dank einer Wildcard im Hauptfeld starten.
Zverevs Zwangspause war mit sieben Monaten zwar nur halb so lang und das Abrutschen auf Weltranglistenplatz 13 auch längst nicht so dramatisch wie bei Thiem. Doch der Deutsche kämpft mit den gleichen Problemen: fehlender Spielrhythmus und mangelnde Spielfitness. Das war bei den jüngsten Niederlagen beim United Cup in Sydney gegen den Tschechen Jiri Lehecka und Taylor Fritz aus den USA klar zu erkennen.
Physisch sei er «noch nicht auf dem Niveau, auf dem ich sein muss», gab Zverev kurz vor dem Jahreswechsel zu: «Ich werde viel schneller müde als vorher. Ich bin nicht so schnell, wie ich es wahrscheinlich war.» Fritz drückte es recht uncharmant so aus: Zverev sei «ein bisschen eingerostet» gewesen.
Gelöste Stimmung
Die jüngsten Rückschläge lässt sich der Australian-Open-Halbfinalist von 2020 in den ersten Tagen im Melbourne Park aber nicht anmerken, auch beim Benefiz-Event zugunsten der vom Krieg geplagten Ukraine verbreitete er gute Laune. «Er macht hier einen sehr guten, sehr gelösten Eindruck», sagte Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann der Deutschen Presse-Agentur. Vom Titeldruck befreit tritt Zverev fokussiert, aber locker auf.
In einem launigen Videobeitrag für den übertragenden TV-Sender Eurosport retournierte der Tennisstar bei einem Frage-Antwort-Spiel schlagfertig jedes Stichwort. Sein größter Vorsatz fürs neue Jahr? «Ich habe keinen. Der hält nur zwei Tage, dann ist es vorbei.» Seine gewagteste Prognose für 2023? «Rafael Nadal wird traurigerweise bei den French Open zurücktreten.» Sein Tipp für die Nummer 1 der Weltrangliste am Ende des Jahres? «Ich. Weil Mischa hinter mir sitzt.» Sein Bruder und Manager lachte im Hintergrund.
Doch Mischa Zverev weiß, dass der 19-malige ATP-Turniergewinner absolut die Klasse für den Sprung an die Spitze hat. Eigentlich hätte er schon im vergangenen Jahr Weltranglistenplatz eins erobern und endlich seinen ersten Grand-Slam-Titel feiern können. Doch die Fußverletzung im French-Open-Halbfinale gegen Nadal riss Zverev brutal aus allen Träumen.
Im Kopf nun stärker?
Es folgte eine nicht immer reibungslose Reha, die öffentliche Bekanntgabe seiner langjährigen Diabetes-Erkrankung, ein verschobenes Comeback im September beim Davis Cup wegen eines Knochenödems, eine Corona-Infektion im November. Erst seit ein paar Wochen kann er nach eigener Aussage wieder schmerzfrei trainieren. Trotzdem könnte diese schwere Phase sich irgendwann noch auszahlen. «Im Kopf ist er stärker und erwachsener geworden», meinte Bruder Mischa.
Die Anlagen für einen Grand-Slam-Titel hat Alexander Zverev ohnehin. Jetzt muss er dafür den Rhythmus aufnehmen, um eventuell später im Sommer, bei seiner Rückkehr an den Unglücksort Paris, zu triumphieren. «Sascha gewinnt die French Open», lautet Mischa Zverevs gewagte Neujahrs-Prognose. Am liebsten im Finale gegen Sandplatz-König Nadal, das wäre «ein gutes Ziel für 2023».
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