Lance Armstrong war kürzlich in Paris. Mit dem Rad über den Place de la Concorde, hoch zum Arc de Triomphe und die Champs Élysées wieder runter. So wie früher, als er siebenmal in der französischen Hauptstadt als Sieger der Tour de France empfangen worden war.
Nur dieses Mal war Armstrong virtuell auf seinem interaktiven Rollentrainer Zwift unterwegs. Denn Armstrong ist auch zehn Jahre nach seinem spektakulären Doping-Geständnis in Frankreich bei der Tour und generell im Radsport eine unerwünschte Person.
Im Januar 2013 war das Denkmal Armstrong endgültig zum Einsturz gebracht worden. Bei Star-Talkerin Oprah Winfrey hatte der Texaner alles zugegeben. EPO, Testosteron, Kortison, Wachstumshormone und Blutdoping? Seine Antwort war immer die gleiche: «Ja, ja, ja, ja, ja». Er habe sich nicht wirklich besser gefühlt nach dem Interview, räumte der frühere Radstar jüngst in dem Podcast «Lance Armstrong: der Aufstieg, der Fall und die Erlösung einer Radsportlegende» von Joe Pompliano ein. «Aber ich habe mir gesagt, ich mache es lieber auf diese Weise und lasse den Ballon platzen.»
Armstrong heute: «Ich würde nichts ändern»
Armstrong war vorher schon von der amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA lebenslang gesperrt worden. Minutiös hatten US-Ermittler Jeff Novitzky und USADA-Chef Travis Tygart die Machenschaften des Machtmenschen rekonstruiert. Heute kann ein ergrauter Armstrong im weißen Hemd samt hochgekrempelten Ärmeln mit einer gewissen Lockerheit über die schwere Zeit plaudern, damals ging es um seine Existenz. Jede Woche seien Briefe von Versicherungsgesellschaften ins Haus geflattert, 111 Millionen Dollar habe ihn die ganze Angelegenheit gekostet. «Ich hatte Angst, dass ich nicht für meine Familie sorgen könnte», erinnert sich der frühere Rivale von Jan Ullrich, mit dem er inzwischen befreundet ist.
Als Rettungsanker entpuppte sich eine goldrichtige Investition aus dem Jahr 2009, als er 100.000 Dollar in einen Fonds des Anlegers Chris Sacca gesteckt hatte, der damals unter anderem in das Start-up-Unternehmen Uber investierte. Armstrongs Einsatz soll sich um das 300-fache vermehrt haben. «Das hat geholfen», so der 51-Jährige. Die Zahlen seien «magisch» gewesen. Einen Geschäftssinn hatte der Gründer der Krebsstiftung Livestrong schon immer.
So scheint Armstrong heute seinen neuen Platz im Leben gefunden zu haben. Mit seiner langjährigen Partnerin Anna Hansen ist er inzwischen verheiratet, in Austin betreibt er ein Fahrrad-Geschäft samt Coffee-Shop und einmal wöchentlich ist er in seinem eigenen Podcast auf Sendung und empfängt dabei mitunter alte Weggefährten und Rivalen wie Ullrich, George Hincapie oder Bradley Wiggins. «Ich habe es geschafft, auf meinen Füßen zu landen. Ich habe fünf wunderschöne, gesunde Kinder. Ich würde nichts ändern», berichtet Armstrong.
Zugang zum Radsport habe er keinen mehr. «Ich berichte nur noch darüber», betont Armstrong und verbirgt nicht, dass ihn sein heutiger Status ärgert. «Wäre ich nur irgendein Radfahrer gewesen, wäre das alles nicht passiert. Die Story war zu gut», so Armstrong. Ein Krebskranker, der die Tour de France gewinnt. Es ist rauszuhören, dass Armstrong gerne eine zweite Chance im Radsport bekommen hätte.
Armstrong: «Es war das perfekte Dopingmittel»
Der frühere Telekom-Profi Rolf Aldag, der ebenfalls Doping gestand und heute Sportchef beim Bora-hansgrohe-Team ist, geht davon aus, dass es im Fall Armstrong «sportjuristisch so in Ordnung» ist. «Dafür gibt es Regeln und Lance hatte sicherlich genügend Anwälte. Auf der anderen Seite geht es um die moralische, ethische Seite und da bin ich wahrscheinlich der Falsche, um das zu beurteilen», sagte Aldag in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
In der Siegerliste der Tour ist von 1999 bis 2005 kein Fahrer aufgelistet. «Du kannst nicht sieben Jahre ohne einen Sieger machen. Es muss dort einen Sieger geben. Das macht keinen Sinn. Dann befördere jemand anderes», sagte Armstrong. Das Problem ist nur: Die damaligen Zweitplatzierten um Ullrich und Co. haben kaum einen besseren Ruf.
Heute würde Armstrong «gerne zurückgehen und einiges zurücknehmen» aus einer Zeit, in der er Menschen terrorisiert hatte wie die frühere Teambetreuerin Emma O’Reilly oder die einstigen Radprofis Christophe Bassons und Filippo Simeoni, die das schmutzige Doping-Geschäft nicht mitmachen wollten. Aber auch mit dem heutigen Wissen hätte er damals wohl zu Dopingmitteln gegriffen. «Es war das perfekte Dopingmittel. Zehn Prozent Leistungssteigerung und nur vier Stunden im Körper nachweisbar», sagt Armstrong, der weiterhin noch auf dem Rad daheim in Austin oder in Aspen/Colorado unterwegs ist. Die Champs Élysées fährt er aber lieber auf dem Hometrainer entlang.
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