Die erfolgreichste WM der Fußball-Geschichte für ein afrikanisches Team endete in lautstarkem Ärger. «FIFA Mafia», hallte es durch das Chalifa International Stadion in Katar, als der Weltverbands-Präsident Gianni Infantino dort den Sieger des kleinen Finals ehrte.
Das waren nicht die Marokkaner. Sie verloren das Spiel um Platz 3 gegen Kroatien verdient mit 1:2 (1:2). Aber obwohl sie bei dieser Weltmeisterschaft so weit kamen wie noch nie ein Vertreter ihres Kontinents zuvor, waren in diesem Moment erst einmal alle sauer.
Die marokkanischen Spieler bedrängten nach dem Schlusspfiff den Schiedsrichter Abdulrahman Al Jassim. Die große Mehrheit der marokkanischen Fans unter den 44.137 Zuschauern richtete ihre Wut gleich gegen Infantino, auch weil ein international eher unerfahrener Referee aus dem WM-Gastgeberland Katar dieses für sie so wichtige Spiel leiten durfte. Berichten zufolge soll der FIFA-Präsident sogar von marokkanischen Spielern auf dem Weg in die Kabine beschimpft worden sein. Und das alles, weil Al Jassim dem großen Überraschungsteam dieser WM in der Schlussphase zwei vermeintliche Elfmeter verweigert hatte.
Regragui bewahrt die Ruhe
Der Einzige, der in diesem Tumult die Ruhe behielt, war Marokkos Trainer Walid Regragui. Er gab dem Schiedsrichter fair die Hand. Zum einen waren zumindest diese beiden strittigen Entscheidungen vertretbar. Zum anderen ist Regragui das so erfolgreiche und so häufig gefeierte Bild seines Teams bei dieser WM sehr wichtig. Es sollte nach dem letzten von sieben Spielen in Katar keinen Kratzer mehr erhalten.
«Wenn wir ein Spiel verlieren, sind wir immer enttäuscht. Wenn man manchmal etwas überreagiert nach einem Spiel, dann kann das passieren», sagte der 47-Jährige. «Meine Spieler sind sehr ehrgeizig, es war kein fehlender Respekt.» Gleichwohl: Den Schiedsrichter nach dem Spiel so zu bedrängen, das sei «nicht der marokkanische Weg».
Ihre einzigen Niederlagen bei dieser WM kassierten die Marokkaner ausgerechnet in den beiden letzten Spielen. Als es um die Endspiel-Teilnahme und dann am Samstag um die Bronzemedaille ging. Beiden Teams war diese Medaille sehr wichtig. Für vergleichsweise kleinere Fußball-Nationen wie Kroatien und Marokko hat sie eine deutlich größere Bedeutung als für Engländer, Brasilianer oder Niederländer, die bei den beiden vorangegangenen WM-Turnieren an diesem «kleinen Finale» beteiligt waren.
«Zu viel Müdigkeit»
Zweimal brachten Josko Gvardiol (7.) und Mislav Orsic (42.) die Kroaten in Führung. Nur einmal kamen die Marokkaner durch Achraf Dari (9.) zurück. Am Ende des Turniers war es für sie von allem zu viel: zu viele Spiele, zu viele Ausfälle wichtiger Spieler, «zu viel Müdigkeit», wie Regragui sagte.
Der erst seit August amtierende Trainer war sich aber trotzdem sicher: «Wenn wir morgen aufwachen, werden wir realisieren, was wir bei dieser WM großartiges erreicht haben», sagte Regragui. «Wenn man mir vor der WM gesagt hätte: Marokko gehört zu den besten vier Teams der Welt – das hätte ich weit von mir gewiesen.»
Dem in Frankreich geborenen Ex-Profi ging es bei diesem Turnier von Beginn an darum, mehr als nur Trainer Marokkos zu sein. Er wollte immer auch ein Beispiel dafür geben, dass der gesamte afrikanische Fußball mehr kann und weiter ist, als das in anderen Teilen der Welt häufig gesehen wird. Nur sprach Regragui dabei vor drei Wochen noch vom Überstehen der Vorrunde – und mittlerweile von einem ganz anderen Ziel.
«Wir haben gezeigt: In Afrika arbeiten wir hart und entwickeln uns. Ich bin sicher, dass eines Tages ein Team aus Afrika die WM gewinnen wird», sagte er. «Andere afrikanische Teams werden unserem Beispiel folgen wollen. Und wir werden 2026 mehr Erfahrung haben. Wir kommen weiter und weiter, Schritt für Schritt. Sogar in unserem Land hat man nicht an uns geglaubt. Aber wir haben das Gegenteil bewiesen.»
Am Ende seiner Pressekonferenz stand Regragui auf und bedankte sich bei allen im Raum. Bei den Journalisten, bei den Mitarbeitern. Er schimpfte nicht wie seine Spieler nach dem Abpfiff. Sein Satz zum Abschied von dieser WM war: «Lang lebe Afrika!»
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