23. November 2024

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Frankreich entzaubert Marokko – Traumfinale gegen Messi

Frankreich erreicht durch einen schmeichelhaften Sieg gegen Marokko das Finale. Der erste afrikanische Halbfinalteilnehmer wehrt sich nach Kräften, trifft den Pfosten und dominiert die zweite Hälfte.

Kylian Mbappé tröste sofort seinen niedergeschlagenen Kumpel Achraf Hakimi, die große Titel-Euphorie der Équipe Tricolore breitete sich erst ein paar Minuten nach dem Schlusspfiff aus.

Frankreichs Weltmeister quälten sich beim 2:0 (1:0) im Halbfinale gegen Außenseiter Marokko ins Traumfinale gegen Lionel Messis Argentinien und greifen schon wieder nach dem goldenen Pokal. Den Nordafrikanern um Hakimi bleibt der Stolz, bei der WM in Katar jetzt schon Historisches geleistet zu haben. Am Samstag kann Marokko gegen Kroatien noch Platz drei erreichen. In der Heimat fieberten und zitterten Millionen Menschen mit – mindestens die Verlängerung wäre vor 68.294 Zuschauern im Al-Bait Stadion verdient gewesen.

«Das war wieder ein gewaltiges Match – und eins kommt noch. Wir streben den Titel an», sagte Frankreichs Trainer Didier Deschamps. «Das ist unglaublich, das Finale der WM zu spielen. Frankreich gegen Argentinien ist ein großes Match. Wir haben hart dafür gearbeitet», sagte Theo Hernández. Der Abwehrspieler hatte in der 5. Minute die frühe Führung erzielt und den Weg ins Finale nach Lusail geebnet, das auch das Endspiel zwischen Messi und Frankreichs Starspieler Mbappé werden wird – beide spielen beim von WM-Gastgeber Katar finanzierten Spitzenclub Paris Saint-Germain.

Mbappé feiert in Hakimis Trikot

Die erfolgreiche WM-Titelverteidigung wäre die erste seit dem zweiten brasilianischen Titel 1962. Eintracht Frankfurts kurz zuvor eingewechselter Randal Kolo Muani (79.) entschied die lange offene Begegnung. Mbappé feierte in Hakimis Trikot. «Wir haben es versucht und versucht und versucht und dann leider das zweite Tor kassiert», sagte Marokkos Trainer Walid Regragui: «Aber ich kann meiner Mannschaft nur ‚Bravo‘ sagen für das, was sie vorher gespielt hat.»

Zur Feier des insbesondere für Fußball-Afrika bedeutenden Tages hatte sich große Prominenz in der Wüstenzelt-Arena nördlich von Doha eingefunden. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron saß neben FIFA-Präsident Gianni Infantino auf der VIP-Tribüne. «Wir haben manchmal gelitten, aber wir haben eine sehr große Mannschaft gesehen», sagte Macron hinterher: «Diese französische Mannschaft macht mich sehr stolz:» Er ist sich sicher: «Wir bringen den Pokal mit nach Hause.»

Die Marokkaner wurden schon beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung von gut 30.000 lautstark jubelnden Fans getragen. Der kleine französische Block war dagegen kaum zu hören. Die lautstarken Pfiffe bei Ballbesitz der Équipe Tricolore halfen aber zunächst nichts.

Nach einem Abwehrfehler flipperte der Ball im marokkanischen Strafraum Richtung Hernández, der leicht artistisch an Torwart Yassine Bounou vorbei zur Führung traf. So früh wie seit 1958 kein Spieler mehr in einem WM-Halbfinale. Auf der Tribüne ballte Macron jubelnd die Hand zur Faust. Die Partie war politisch aufgeladen – Marokko war bis 1956 französisches Protektorat, in Frankreich leben über eine Million Marokkaner.

Marokko-Trainer Regragui impulsiv

Im Al-Bait Stadion wehrte sich das Überraschungsteam nach Kräften. Die Auswahl von Trainer Regragui, der an der Seitenlinie impulsiv Anweisungen auf den Rasen schrie, spielte offensiver als zuvor gegen Spanien und Portugal. Azzedine Ounahi prüfte Frankreichs Rekordtorwart Hugo Lloris mit einem Distanzschuss (10.). Nach 20 Minuten musste allerdings auch der zweite Stammspieler in der Innenverteidigung, Kapitän Romain Saïss, angeschlagen vom Feld. Nayef Aguerd hatte nach dem Aufwärmen kurzfristig verletzt passen müssen.

Die Franzosen spielten in dieser Phase nicht unbedingt weltmeisterlich, aber weiterhin mit der klaren Spielidee von Trainer Didier Deschamps. Der Ex-Profi musste zwar auf den bislang starken, am Mittwoch aber kranken Adrien Rabiot verzichten. Auch Bayern-Profi Dayot Upamecano saß angeschlagen auf der Bank. Immer wieder blitze aber die enorme Geschwindigkeit von Mbappé und Ousmane Dembélé auf, dahinter sortierte Antoine Griezmann mit großer Übersicht. Nur die Tore fehlten. Routinier Olivier Giroud traf nur den Pfosten (17.), Mbappé und erneut Giroud vergaben weitere Großchancen (36.).

Fallrückzieher an den Pfosten

Weil Jawad El Yamiq kurz vor der Pause einen Fallrückzieher an den Pfosten setzte (45.) und Marokko insgesamt noch einmal stärker wurde, konnten die Franzosen mit dem knappen Zwischenstand zur Halbzeit aber zufrieden sein.

Gleich nach Wiederanpfiff verteidigte Hakimi, der ebenfalls bei Paris spielt, gerade so gegen Mbappé (48.). Als der Franzose wenig später nach resoluter Grätsche von Sofyan Amrabat lange auf dem Rasen liegenblieb, schaute Macron sorgenvoll zu (51.). Und Marokko wurde immer besser, Frankreichs Abwehr um Upamecano-Ersatz Ibrahima Konaté und Raphaël Varane wackelte bedenklich.

Deschamps reagierte nach gut einer Stunde und brachte den Gladbacher Bundesliga-Profi Marcus Thuram für Giroud. Souverän war die Vorstellung des bisher zweimaligen Weltmeisters aber überhaupt nicht mehr. Marokko glänzte – anders als im Viertelfinale gegen Portugal – auch spielerisch. Im Strafraum fehlte der Auswahl von Regragui aber die Konsequenz, oder es war im letzten Moment doch noch ein Franzose dazwischen. Das Tor von Kolo Muani, der für Dembélé gekommen war, fiel aus dem Nichts – und ließ Macron freudig applaudieren.

Jan Mies, Miriam Schmidt, Sebastian Stiekel und Nils Bastek, dpa