22. November 2024

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Palästina-Flaggen im Stadion: Die WM als politische Bühne

Immer wieder ist bei der WM in Katar die palästinensische Fahne zu sehen. Die Solidaritätsbekundung verdeutlicht die Politisierung des Turniers - es geht um viel mehr als Fußball.

Im Moment der größten Glückseligkeit zeigten die marokkanischen Nationalspieler Flagge, aber nicht ihre eigene. Noch auf dem Rasen des Education City Stadions westlich von Doha bejubelten Achraf Hakimi und seine Mitspieler den Viertelfinaleinzug mit der schwarz-grün-weiß-roten Fahne Palästinas.

Dutzende Kameras klickten, die Weltöffentlichkeit sah zu – und wieder wurde die Fußball-WM in Katar, die ein Turnier des gesamten arabischen Raums sein soll, zur Bühne für die Solidaritätsbekundung mit den Palästinensern im Konflikt gegen Israel.

«Es gibt eindeutig nicht viel Liebe in der arabischen Welt für Israel», zitierte die «Washington Post» Giorgio Cafiero, den Geschäftsführer des Risikoanalyseunternehmens Gulf State Analytics. In Katar, das offiziell keine diplomatischen Beziehungen zu Israel unterhält, spielten neben Marokko der WM-Gastgeber, Saudi-Arabien und Tunesien mit. Zudem der Iran, der Israel als Erzfeind betrachtet. Palästina-Fahnen waren bei etlichen Spielen zu sehen, während der Partie zwischen Tunesien und Frankreich stürmte ein Zuschauer mit Flagge auf den Rasen.

Israel gratuliert Marokko

Die Lage der Palästinenser sei ein Thema, das die Menschen in der arabischen Welt eine, sagte Zaha Hassan von der US-Denkfabrik Carnegie. Zwar führte die Unterzeichnung der «Abraham Accords» zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und mehreren arabischen Ländern – darunter Marokko. So gratulierte Israels Verteidigungsminister Benny Gantz den Marokkanern bei Twitter herzlich zum Erfolg in Katar. Die arabische Bevölkerung sei aber gegen eine Normalisierung der Beziehungen, sagte Hassan. «Die WM hat an dieser Situation nichts geändert.»

Israel hatte im Sechstagekrieg 1967 unter anderem den Gazastreifen, das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Die Palästinenser wollen die Gebiete für einen eigenen Staat Palästina – mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. «Gewöhnliche Araber sind gegen diese Besetzung und sehen sie als unmenschlich und inakzeptabel an», sagte Mahjoob Zweiri, Professor für Geschichte und zeitgenössische Politik an der Universität von Katar, der «Washington Post».

Katar dürfte sich über die Solidaritätsbekundungen eher freuen. Das Golfemirat ist ein Verbündeter der im palästinensischen Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas, die sich Israels Vernichtung auf die Fahne geschrieben hat. Jährlich unterstützt Katar den Küstenstreifen mit Millionenbeträgen – etwa für Hilfsgüter. Aus Israel wird jedoch immer wieder der Vorwurf laut, dass die katarischen Gelder auch für Terrorzwecke genutzt werden.

«Präsenz Palästinas im Herzen» der WM

«Die Präsenz Palästinas im Herzen der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar bestätigt, dass es das zentrale Thema der Nation ist und in den Herzen von Millionen unserer arabischen Nationen und der freien Völker der Welt präsent ist», teilte ein Sprecher der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas mit. 

Der Fußball-Weltverband FIFA und die WM-Organisatoren feierten zu Turnierbeginn die tatsächlich bedeutende Entwicklung, dass erstmals Direktflüge von Israel nach Katar angeboten wurden, um israelische und palästinensische Fans zu den Spielen zu bringen. «Fußball hat die Kraft, Menschen zusammenzubringen, er überwindet alle Grenzen und fördert die Einheit wie nichts anderes», sagte FIFA-Präsident Gianni Infantino gewohnt pathetisch. Die Realität auf den Straßen Dohas sah teilweise anders aus. 

Auf einem Video des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders in Israel war etwa zu sehen, wie ein Reporter wütend angeschrien wird: «Es gibt kein Israel, sondern Palästina. Sie sind hier nicht willkommen, dies ist Katar, das ist unser Land.» Ein israelischer Korrespondent vor Ort berichtete der dpa, dass insbesondere hebräisch sprechende Korrespondenten deutliche Probleme haben, ihre Arbeit zu machen. Gewalttätig ginge es aber nicht zu. Israels Außenministerium empfahl den Fans, ihre israelische Identität nicht offen zu zeigen. Katar betonte, dass die Einreiseerlaubnis für Israelis nichts mit einer Normalisierung der Beziehung zu tun habe und lediglich temporär sei. 

In Israel selbst ist das Aufhängen und Zeigen von palästinensischen Flaggen zwar nicht verboten, jedoch werden die Flaggen in der Regel von den israelischen Behörden wieder abgehangen. Immer wieder kommt es dabei auch zu Konfrontationen. Bei der WM wertet die FIFA die Fahnen auch auf dem Rasen nicht als politische Botschaft, der palästinensische Verband ist eines der 211 FIFA-Mitglieder. In den vergangenen Jahren wurde der Konflikt mit Israel regelmäßig mit langen Debatten in die Vollversammlungen des Weltverbands getragen. Vorrangig wegen der im Westjordanland ansässigen Vereine.

Generell haben sich in den vergangenen Monaten die Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern noch mal deutlich verschärft. Beinahe täglich kommen Palästinenser bei Konfrontationen mit Israels Militär oder eigenen Anschlägen ums Leben. Der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern liegt seit 2014 brach.

Christina Storz, Cindy Riechau, Sara Lemel und Jan Mies