Viel Politik, wenig Stimmung und außerhalb von Deutschland gute Quoten: Die Fußball-WM in Katar hat viele Facetten. Hier die wichtigsten Erkenntnisse nach Vorrunde und Achtelfinale:
Es gibt kaum noch Kleine: Der frühere Bundestrainer Berti Vogts behauptete schon vor mehr als 20 Jahren, es gebe «keine Kleinen mehr». Nun lässt sich feststellen: Es gibt sie kaum noch. Allenfalls bei Katar und mit Abstrichen Costa Rica musste man die Wettbewerbsfähigkeit auf diesem Niveau infrage stellen. Dafür kamen aus allen Kontinenten Teams weiter. Japan und Südkorea aus Asien, auch Australien und auch die USA. Aus Afrika Senegal und Marokko, dazu schlugen sich Kamerun, Ghana und Tunesien ordentlich. Das heißt aber noch nicht, dass die ehemals Kleinen nun schon Große sind: Im Viertelfinale sind mit Ausnahme von Überraschungsteam Marokko die Europäer und Südamerikaner dann doch wieder unter sich. Und es bleibt abzuwarten, wie viele Teams in einem 48er-Feld in vier Jahren überfordert sind.
Der Fußball ist doch politisch: Vor dem Turnier und in der ersten Woche wurde fast mehr über Politik diskutiert als über Fußball. Erst die Diskussion um die von der FIFA verbotene «One Love»-Binde, dann das iranische Schweigen bei der Hymne und die deutsche Maulkorb-Geste am 1. Spieltag. In der zweiten Runde lief beim Spiel Portugal gegen Uruguay ein Flitzer über den Platz und protestierte mit einer Regenbogenfahne auch für die Ukraine und die Frauen im Iran. Damit war offenbar alles gesagt und es wurde ruhiger. Still aber nie. Da war der durch Gesten aufgeladene Konflikt zwischen Serben und Schweizern nach einer serbischen Fahne in der Kabine vor dem Brasilien-Spiel, auf der die Umrisse des Kosovo in den serbischen Farben sowie die Botschaft «Niemals aufgeben» abgebildet waren. Und auch der Konflikt zwischen Israel und Palästina spielte eine sichtbare Rolle. So jubelten die marokkanischen Nationalspieler nach ihrem Einzug ins Viertelfinale ausgelassen mit Palästina-Flagge auf dem Rasen. Israelische Sportjournalisten berichteten zuletzt von zahlreichen Anfeindungen während der Endrunde.
Quote/Zuschauer: Mit den TV-Zahlen im Vergleich zur vorherigen WM 2018 muss man vorsichtig sein. Die Streaming-Abrufe und Pay-TV-Quoten sind im Allgemeinen nicht berücksichtigt. Und in diesem Bereich sind viereinhalb Jahre seit der letzten WM eine lange Zeit. Doch feststellen lässt sich: In Deutschland scheint der von vielen ausgerufene WM-Boykott durchaus Wirkung gezeigt zu haben. Das entscheidende Gruppenspiel gegen Costa Rica sahen zum Beispiel weniger Zuschauer als das EM-Finale der Frauen in diesem Sommer. Und ansonsten waren die Quoten in Europa stabil, in vielen anderen Märkten sogar steigend, in manchen sind sie explodiert.
Wenig Stimmung: Die Stadien waren nicht alle ausverkauft, laut FIFA aber annähernd. Die Auslastung soll bei nur knapp unter 100 Prozent gelegen haben. Die Stimmung war dennoch deutlich gemäßigter als bei vorherigen Weltmeisterschaften. Vor allem, weil viele Teams aus Kostengründen oder wegen Bedenken gegen Katar von lange nicht so vielen Fans begleitet wurden. Anders war dies bei den Argentiniern, Brasilianern oder Afrikanern, von denen manche zwar auch von deutlich weniger Fans angefeuert wurden, das aber sehr lautstark.
Keine Krawalle: Ob es am Alkoholverbot lag oder eben an der deutlich geringeren Zahl eingefleischter Fans – Fakt ist: In Katar wurden quasi keinerlei Randale bekannt. Nach den Spielen standen die Fans beider Lager an der U-Bahn-Station oft friedlich nebeneinander in der Schlange. Nicht selten handelte es sich dabei aber auch nur um Einheimische in unterschiedlichen Shirts.
Ausgerechnet: Es war nicht immer politisch, doch viele besondere Tore und Ereignisse waren durch besondere Geschichten aufgeladen. Typischer Fall von «ausgerechnet er». So erzielte der in Kamerun geborene Breel Embolo das Siegtor für die Schweiz gegen sein Heimatland. Der Freiburger Ritsu Doan und der Bochumer Takuma Asano schossen Japan zum überraschenden 2:1-Sieg gegen Deutschland, der letztendlich zum japanischen Weiterkommen und zum deutschen Ausscheiden beitrug. Im Elfmeterschießen der Marokkaner gegen Spanien wurden der in Madrid geborene Achraf Hakimi als Schütze des entscheidenden Elfers und der seit zehn Jahren in Spanien und aktuell beim FC Sevilla spielende Torhüter Bono mit zwei gehaltenen Schüssen zu Helden.
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