22. November 2024

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Der Jüngste und der Boss: Scaloni mit van Gaal im Duell

Im ersten Viertelfinale der WM treffen zwei Trainer-Generationen aufeinander. Louis van Gaal hört bei den Niederlanden nach der WM auf, Argentiniens Lionel Scaloni hat noch viel vor.

Es kommt zum Generationen-Duell der Gegensätze am Spielfeldrand. Der jüngste Trainer der Fußball-Weltmeisterschaft gegen den ältesten: Lionel Scaloni, Argentinien gegen Louis van Gaal, Niederlande.

Und es wird ein Wiedersehen aus längst vergangenen Tagen. «Ich war bei Deportiva La Coruña, als er Trainer bei Barcelona war», erinnert sich der 44 Jahre alte Scaloni vor dem Viertelfinale gegen die Niederländer mit deren 71 Jahre altem Coach. 

Er sei stolz, nun mit Argentinien gegen van Gaal zu spielen, betonte Scaloni: «Das sind die Freuden, die einem der Fußball bereitet.» Am Freitag im Lusail Stadion (20.00 Uhr MEZ/ARD und MagentaTV) ist es im Viertelfinale beim sechsten WM-Duell der beiden Nationen soweit. 

Erfahrung und Erfolge:

Mit Clubs hat van Gaal praktisch alles gewonnen. Die Champions League, Meisterschaften, Pokale. Die Nationalmannschaft ist nach dem dritten Platz 2014 so etwas wie sein unvollendetes Projekt. Es wird sehr wahrscheinlich seine letzte WM – und die große Bühne will einer wie van Gaal natürlich mit dem größtmöglichen Knall verlassen. Scaloni steht noch am Anfang seiner Trainerkarriere. Die Nationalmannschaft ist sein erster Job als Cheftrainer, er bekam ihn 2018 nach dem WM-Aus der Argentinier zunächst nur als Übergangslösung. Es ist ein Langzeitprojekt draus geworden, sein Vertrag wurde vor der WM bis zur nächsten 2026 verlängert. Als Spieler gewann er mit Deportivo de La Coruña Meisterschaft, Pokal und Supercup.

Auftreten:

Scaloni ist höflich, zurückhaltend, ein angenehmer Gesprächspartner. Seine Lieblingskluft ist der Trainingsanzug, selbst bei Spielen hier in Katar verzichtet er auf feinen Zwirn. Ganz der Verteidiger eben, der er mal war: fleißig, schnörkellos, hart zu sich und dem Gegner. Van Gaal ist der Entertainer dieser WM. Fast jeder Auftritt des Bondscoach hat ihn, diesen einen menschenfangenden Moment. Sei es der Kuss für Verteidiger Denzel Dumfries, eine schlüpfrige Frage an Ehefrau Truus, ein Training mit Gastarbeitern oder eine Umarmung eines Journalisten aus dem Senegal. Van Gaal unterhält, doziert, gewinnt Herzen – und lässt zugleich keine Zweifel aufkommen, dass er der Boss ist.

Privatleben:

Ehefrau Truus steht im Zentrum von van Gaals Kosmos. Sie ist seine wichtigste Bezugsperson, hat ein Mitspracherecht bei den Jobs des Trainers. «Wir haben gemeinsam besprochen, dass es bestimmte Länder gibt, wo wir nie hingehen werden», sagte van Gaal. Im April gab der 71-Jährige bekannt, an aggressivem Prostatakrebs zu leiden. Scaloni hält sein Privatleben privat. Er ist mit Elisa Moreno verheiratet, hat zwei Söhne. Und er fährt gern Rennrad. «Da bekomme ich den Kopf frei», sagte der Mann aus Rosario. 2019 wurde Scaloni in seiner spanischen Wahlheimat auf dem Rad von einem Auto angefahren, veröffentlichte danach ein Foto mit mehreren Gesichtsverletzungen.

Status im eigenen Land:

Van Gaal ist an Siegen gemessen der erfolgreichste Bondscoach der Geschichte. Doch kritisiert wird er in den Niederlanden oft und offenbar gern. Das ist auch bei dieser WM der Fall, bei der die Elftal zwar erfolgreich, aber auch größtenteils langweilig spielt. Van Gaal nimmt dies mit Achselzucken hin, schiebt das auf sein bisweilen schwieriges Verhältnis zu den Medien. In Argentinien ist der Name Scaloneta zum festen Begriff für die Mannschaft geworden – abgeleitet vom Namen des Trainers. Von der Albiceleste spricht kaum mehr jemand. Selbst Verbandschef Claudio Tapia bei der Vertragsverlängerung nicht: «Die Scaloneta gibt es länger.»

Anekdoten:

Das Radsport-Virus hat Scaloni in sein Trainer-Team getragen. Während der Pandemie-Lockdowns besorgten sich alle Rollentrainer und absolvierten ein gemeinsames Trainingsprogramm. Van Gaal bevorzugt, wenn man so will, andere Bewegungsarten. In den frühen Tagen der WM fragte er seine Frau Truus vor laufenden Kameras, ob sie in sein Hotelzimmer für einen Quickie kommen möchte – und freute sich danach diebisch über ihre verdutzte Reaktion.

Tom Bachmann und Jens Marx, dpa