Die für fast alle überraschende Nachricht vom vorzeitigen zweiten Formel-1-Titel verwirrte selbst den alten und neuen Champion Max Verstappen. «Ich dachte nicht, dass ich Weltmeister bin», sagte der Niederländer.
Zwar freute sich der Red-Bull-Star schnell über seinen Sieg im dreistündigen Regenchaos von Suzuka. Dass der 25-Jährige aber zur Krönung auch noch in den Kreis der Mehrfach-Weltmeister aufstieg, bekam er erst einige Zeit später bestätigt. «Mir ist egal, dass es etwas verwirrend war. Ich fand es eigentlich ganz lustig», sagte Verstappen: «Es ändert sich ja nichts am Ergebnis.»
Die Erklärung: Der Internationale Automobilverband vergab für viele überraschend doch die volle Punktzahl, obwohl weniger als die vorgeschriebenen 75 Prozent der 53 Runden absolviert wurden, nämlich nur 28. Nötig war das, weil es unaufhörlich regnete und lange nicht ans Fahren zu denken war. Diese Sonderregel gelte aber nur, wenn das Rennen nach einer Unterbrechung nicht wieder aufgenommen werden könne, erklärten die Regelhüter.
«Es ist ein großartiges Gefühl», sagte Verstappen mit etwas Abstand, nachdem ihm ein Verbandssprecher die Nachricht überbracht hatte, dass er nicht mehr vom ersten Platz der Gesamtwertung zu verdrängen ist. Kurz zuvor war auf den Monitoren und im Fernsehen zur Verblüffung vieler schon eingeblendet: «Max Verstappen – Formel-1-Weltmeister.»
Helmut Marko: «Es ist wurscht, wir sind Weltmeister»
Das war nicht nur für ihn eine Überraschung gewesen, sagte er: «Das hätte ich nicht erwartet, aber sie haben mir am Ende die vollen Punkte gegeben. Das Rennen war schon gut, aber das Jahr war unglaublich.»
Verstappen hätte sich sicherlich einen anderen WM-Jubel vorgestellt. Sein Team feierte, und dann wieder nicht. Er selbst hatte anders als bei der Fahrt in der Gischt von Japan im WM-Kampf auch den Durchblick verloren. Wie auch sein Rennstall. «Aber es ist wurscht, wir sind Weltmeister», sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko: «Es war für alle von uns deswegen eine Riesenüberraschung. Unsere Strategieabteilung hat gesagt, es fehlt uns ein Punkt.» Das wäre der Fall gewesen, wenn nicht die vollen Punkte vergeben worden wären, doch das kam eben nicht so.
«Es fühlt sich ganz anders an»
Vier Rennen vor Schluss hat Verstappen mit 366 Punkten ganze 113 Zähler Vorsprung vor Teamkollege Sergio Perez, Ferrari-Star Charles Leclerc hat noch einen Punkt weniger. Da aber nur noch 112 Punkte vergeben werden, kann niemand mehr den Triumph des siegenden Holländers verhindern.
«Max und sein Team haben einen fantastischen Job gemacht. Max war unglaublich, den Titel hat er absolut verdient», sagte Leclerc und kündigte schon mal für die kommende Saison an: «Wir hoffen, dass wir dann ein besserer Gegner sein können.»
Nach Verstappens Triumph in Abu Dhabi mit dem Überholmanöver in der letzten Runde gegen Mercedes-Superstar Lewis Hamilton 2021 legte er 301 Tage später mit dem zweiten verrückten WM-Titel nach. «Es fühlt sich ganz anders an, es sind ganz andere Emotionen, das hängt auch mit dem Verlauf der Saison zusammen», sagte der zwölfmalige Saisonsieger.
Leclerc nach Zeitstrafe Dritter
Zweimal mit Red Bull die WM gewonnen zu haben, sei «sehr emotional», sagte Verstappen und blickte auch schon optimistisch in die Zukunft: «Ich habe noch ein paar Jahre vor mir. Ich will mehr Rennen und am liebsten auch Titel gewinnen.» Keine Frage, dass das möglich ist. Red Bull sei natürlich in der Lage, «noch mehr großartige Saisons abzuliefern», sagte er.
Entscheidend war in Suzuka auch, dass Leclerc zwar als Zweiter ins Ziel kam, der Monegasse nach einem Fahrfehler in der letzten Schikane aber mit zusätzlichen fünf Sekunden bestraft wurde. Er hatte Perez unerlaubt behindert. Perez wurde somit offiziell Zweiter und machte so den WM-Titel erst möglich. Ferrari dachte wohl kurz über einen Protest nach, verzichtete aber doch darauf.
Vettel auf Platz sechs, Schumacher 18.
Sebastian Vettel, der 2011 in Suzuka als bis Sonntag letzter Pilot Weltmeister geworden war, schaffte es im Aston Martin auf Platz sechs. Mick Schumacher wurde im Haas 18.
Als die roten Ampeln ausgingen, drohte Verstappen seine Führung von der Pole Position zu verlieren. Er hielt aber auf der Außenbahn sauber, fair und mutig trotz der nassen Fahrbahn gegen Leclerc und schob sich wieder vor den Monegassen. «Außerirdisch», kommentierte Marko das Manöver.
Abschleppkran auf der Strecke – Gasly wütet
Große Aufregung gab es dann nach einem Abbruch durch Rote Flaggen. Pierre Gasly raste im Alpha Tauri nach einem Malheur dem Feld hinterher, als links neben ihm ein Abschleppkran auftauchte. «Was? Was? Was macht der Traktor auf der Strecke», funkte er entsetzt an die Box. «Erinnert euch, was (hier mal) passiert ist. Ich kann es nicht glauben», schimpfte er und wütete am Kommandostand angekommen weiter: «Das hätte mich verdammt noch mal töten können.»
Die Erinnerung an die schrecklichen Bilder vor acht Jahren sind allen in der Formel 1 präsent. Am 5. Oktober 2014 war Gaslys guter Freund und Leclercs Patenonkel Jules Bianchi im Regen von Suzuka unter einen Abschleppkran gekracht. Er hatte sich schwerste Kopfverletzungen zugezogen, im Sommer 2015 war Bianchi mit nur 25 Jahren gestorben.
Rennfahren war auf einer der Lieblingsstrecken vieler Piloten lange unmöglich. Ein geplanter Restart wurde wieder verschoben. Über zwei Stunden nach dem Abbruch reihten sich die Fahrer dann hinter dem Safety Car ein. Verstappen fuhr schnell einen großen Vorsprung raus und kontrollierte nach Belieben bis ins Ziel.
«Im Moment fühlt es sich perfekt an», resümierte Verstappen seine Titelfahrt: «Mich lässt das zurückblicken auf eine tolle Saison. Das Team hat etwas Besonderes geschafft. Es wird sehr schwer, das ein weiteres Mal zu wiederholen.»
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