Die Zuschauer verabschiedeten Jan-Lennard Struff unter dem geschlossenen Dach des zweitgrößten Stadions in Wimbledon mit donnerndem Applaus. Nach großem Kampf verpasste der 32-jährige Warsteiner den Erstrunden-Coup gegen den spanischen Jungstar Carlos Alcaraz nur knapp.
Nach 4:10 Stunden musste sich der deutsche Davis-Cup-Spieler mit 6:4, 5:7, 6:4, 6:7 (3:7), 4:6 geschlagen geben und klopfte dem Weltranglisten-Siebten anerkennend auf den Rücken. Mit ihren Premierensiegen in Wimbledon ließen von den insgesamt 13 deutschen Tennisprofis im Hauptfeld auch Jule Niemeier und Maximilian Marterer zum Auftakt des Rasen-Klassikers aufhorchen.
Struff kassierte im fünften Satz das entscheidende Break zum 4:5, der an Nummer fünf gesetzte Alcaraz verwandelte wenig später seinen zweiten Matchball. «Er hat sehr gut gespielt», lobte Alcaraz seinen Kontrahenten. Struff hatte das Wunderkind vergangenes Jahr in der ersten Runde der French Open noch bezwungen. Der 19 Jahre alte Spanier hat nach allein vier Turniersiegen in diesem Jahr aber einen ganz anderen Status und liegt derzeit auf Weltranglistenplatz sieben.
Niemeier erstmals siegreich beim Grand-Slam-Turnier
Die 22 Jahre alte Niemeier setzte sich nach nur 73 Minuten mit 6:1, 6:4 gegen die Chinesin Xiyu Wang durch und feierte damit ihren ersten Sieg überhaupt bei einem Grand-Slam-Turnier. «Ich bin extrem glücklich mit meiner Performance heute, weil ich sehr gut gespielt habe von Anfang bis Ende», sagte die Dortmunderin. Niemeier steht nun vor einer äußerst schweren Aufgabe und trifft auf die an Nummer zwei gesetzte Estin Anett Kontaveit.
Marterer bezwang den Slowenen Aljaz Bedene nach 3:04 Sunden mit 4:6, 7:5, 6:4, 7:5 und ließ sich dabei auch von zwei längeren Regenpausen nicht aus dem Konzept bringen. «Das fühlt sich unglaublich an, da hätte ich vor dem Turnier nicht mit gerechnet», sagte der Nürnberger, der sich durch die Qualifikation gekämpft hatte. Marterer gelang bei seiner zweiten Hauptrunden-Teilnahme der erste Sieg in Wimbledon, er bekommt es nun mit Frances Tiafoe aus den USA zu tun.
Struff scheiterte hingegen knapp an seinem ersten Zweitrunden-Einzug seit 2019. Der Bruch seines großen Zehs, der ihn dieses Jahr mehr als zwei Monate lang gestoppt hatte, war ihm lange Zeit nicht anzumerken. Angesichts der «brutal schweren Aufgabe» hatte er vor der Partie angekündigt, einen «Monsterfight» zu liefern – und Struff hielt Wort.
Vor allem mit seinem bis zu 218 Stundenkilometer schnellem Aufschlag und krachenden Vorhänden setzte er seinen Gegner zu Beginn unter Druck und blieb auch in zahlreichen engen Momenten nervenstark. Vier Breakbälle wehrte Struff im ersten Satz ab und feierte den per Ass verwandelten Satzball mit ausgestreckter Faust in Richtung seines Anhangs auf der Tribüne.
Struff geht bei schwülen Bedingungen die Kraft aus
Der Regen prasselte auf das geschlossene Dach, beide Spieler ließen sich auch von den teils schwülen Bedingungen nicht aus dem Konzept bringen. Im zweiten Satz konnte Alcaraz erstmals Struff den Aufschlag abnehmen und stellte diesen auch im weiteren Spielverlauf mit starken Passierbällen immer wieder vor Probleme. Am Ende fehlte Struff auch sichtbar die Kraft.
Die Weltranglisten-97. Niemeier dominierte ihre Partie gegen Wang zu Beginn und blieb auch bei steigender Gegenwehr ihrer Kontrahentin im zweiten Satz souverän. Im vergangenen Jahr hatte sie noch ganz knapp den erstmaligen Sprung ins Wimbledon-Hauptfeld verpasst. Bei den French Open in Paris hatte sie zuletzt ihr Debüt bei einem der vier größten Turniere gegeben, dort aber knapp gegen Sloane Stephens aus den USA verloren. «Das war sehr frustrierend», erinnerte sie. «Ich bin glücklich, dass ich jetzt im zweiten Anlauf den Hauptrundensieg geholt habe.»
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