Die große Erleichterung kam erst am nächsten Morgen. «Als ich heute früh aufgewacht bin, habe ich gedacht: Jetzt kommt das, was wirklich Spaß macht. Klar hat es vorher auch Spaß gemacht, aber es war deutlich mehr Druck. Jetzt frei zu schwimmen, ist wirklich schön», sagte Anna Elendt.
Nur knapp 15 Stunden nach ihrem grandiosen Rennen zu Silber über 100 Meter Brust bei den Schwimm-Weltmeisterschaften in Budapest war die Frankfurterin schon wieder in der 4×100-Meter-Lagen-Mixed-Staffel gefordert, mit der sie den Einzug ins Finale schaffte.
Plötzlich steht die 20-Jährige im Rampenlicht. Anna Elendt ist von ihrer Art her eine, die dem deutschen Schwimmsport gut tun kann. Das sieht auch Sportdirektor Christian Hansmann so. «Wir sind froh, dass wir mit ihr jetzt auch auf den Kurz- und Mittelstrecken eine neue Frontfrau haben, die in die Phalanx der bisherigen Medaillengewinnerinnen einbrechen kann», sagte Hansmann und betonte: «Mit ihrem Auftreten ist sie eine Sympathieträgerin. Wir sind froh, dass wir sie dabei haben, denn sie bringt auch gute Stimmung in die Mannschaft.»
Es ist erfrischend, wie Anna Elendt ihren Mitmenschen begegnet. Selbstbewusst, ein wenig flapsig, fröhlich – aber nie aufdringlich oder fahrlässig. Eine junge Frau eben, die den Ernst des Lebens mit dem Schönen verbindet. Eine, die weiß, was sie will, ohne sich und ihren Sport dabei zu wichtig zu nehmen. Bestes Beispiel dafür: Nach ihrem 100-Meter-Vorlauf wurde sie gefragt, ob sie von der dort erfolgreichen Chinesin schon mal etwas gehört habe. Antwort: «Nein, aber ich kenne mich in der Schwimm-Welt nicht wirklich gut aus.»
Amerikanische Lebensstil verinnerlicht
Elendt hat schnell den amerikanischen Lebensstil und die dortige Trainingsmethodik verinnerlicht. Seit zwei Jahren studiert sie an der University of Texas und trainiert in der etwa 25 Schwimmerinnen umfassenden Trainingsgruppe der von vielen Experten anerkannten Carol Capitani. Diese hat die Deutsche auf ein neues Level gehoben, sie zu noch härterem Training animiert. Und das schlägt an. Trotz einiger Aufs und Abs in diesem Jahr war sie bei den entscheidenden Wettbewerben da. Bei den Qualifikationsrennen in San Antonio machte sie mit deutschen Rekorden auf sich aufmerksam, nun gab es Silber bei der WM.
Ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen. Im Gegenteil. Ihre Finalzeit in Budapest lag vier Zehntelsekunden über ihrer Bestzeit. Wäre sie nur annähernd an die Marke herangekommen, wäre Anna Elendt jetzt schon Weltmeisterin.
Dass sie dieses Potenzial hat, ist ihr jetzt bewusst. Deshalb fiel die Silber-Feier recht bescheiden aus. «Ich habe ja noch was vor bei dieser WM, es kommen noch die 50 und 200 Meter Brust», sagte Elendt und erzählte, dass sie sich mit ihren Eltern noch am späten Montagabend getroffen und im Hotel gegessen habe. Familienzeit ja, rauschendes Fest nein.
Überhaupt ist Elendt trotz der Entfernung zwischen Frankfurt und Texas ein Familienmensch geblieben. Vor allem ihre Mutter Melanie ist eine wichtige Bezugsperson, der Elendt auch einen Unfall nach einer Umräumaktion verzeiht. Ihre Mutter hatte in Elendts Frankfurter Wohnung einen Spiegel auf eine Kommode gestellt und nicht befestigt. Der Spiegel fiel Elendt kurz vor der WM ins Gesicht, ein Cut neben dem Auge schmerzt immer noch. Schon bevor sie Silber um den Hals hängen hatte, konnte Elendt aber darüber lachen.
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