23. November 2024

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Menschenrechtler prangern «Ausbeutung» in Katar an

Am Donnerstag tagt in Doha der FIFA-Kongress, am Freitag werden die Gruppen für die Fußball-WM 2022 ausgelost. Die Kritik am Ausrichter des Weltereignisses reißt zuvor nicht ab.

Wenige Tage vor der Hochglanzauslosung der FIFA in Doha stellen Menschenrechtsorganisationen dem WM-Gastgeber Katar ein desolates Zeugnis aus.

Keine acht Monate vor dem Anpfiff der Endrunde (21. November bis 18. Dezember) sieht Human Rights Watch (HRW) auch den Fußball-Weltverband mitverantwortlich. Amnesty International urteilt in seinem Jahresbericht, dass Arbeitsmigranten in 2021 trotz staatlicher Reformen «weiterhin von Ausbeutung betroffen» seien. Auch für den Deutschen Fußball-Bund werden die kommenden Monate deshalb zur Gratwanderung.

«Ich werde versuchen, erste politische Kontakte zu knüpfen, Gespräche zu führen», sagte der neue DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Die DFB-Delegation fliegt am Mittwoch nach Doha, wo am Freitag die WM-Gruppen ausgelost werden. «Das erschöpft sich aber sicher nicht in diesem einen Besuch», betonte Neuendorf. «Es ist ganz klar, dass uns dieses Thema begleitet.»

Was wird Katar vorgeworfen?

Der WM-Gastgeber steht praktisch seit der fragwürdigen Vergabe Ende 2010 wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Im Mittelpunkt stand und steht das sogenannte Kafala-System, das Arbeitnehmern aus dem Ausland praktisch alle Rechte nimmt. Laut der Zeitung «Guardian» sind seit der Vergabe mehr als 6500 Arbeiter aus Südostasien gestorben. Amnesty zufolge schränkten die Behörden das Recht auf Meinungsfreiheit vor der WM «noch stärker ein». Frauen sowie lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) seien zudem «sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben weiterhin diskriminiert» worden.

Wir argumentiert Katar?

Die Regierung des Emirats verweist immer wieder auf zahlreiche Reformen – insbesondere für die Arbeitnehmerrechte. Im Gegensatz zu anderen Ländern der Region ist das Kafala-System in Katar offiziell abgeschafft. Verstöße gegen die neuen Gesetze würden rigoros verfolgt, heißt es aus dem Emirat, das Fehler eingesteht und Geduld einfordert. Mit Bezug auf die gestorbenen Arbeiter argumentiert Katar, die Sterberate liege angesichts von mehr als 1,4 Millionen Menschen aus der Region im Land im zu erwartenden Bereich.

Welche Position nimmt die FIFA ein?

FIFA-Präsident Gianni Infantino hat inzwischen einen Wohnsitz im WM-Gastgeberland, dies hatte der Weltverband bereits im vergangenen Jahr angekündigt. Der Schweizer, der Arabisch spricht, verweist auf die große Kraft des Fußballs, Veränderungen herbeizuführen. Ohne die WM, so die Argumentation, würde nie von anderen Ländern mit dieser Sorgfalt auf die Menschenrechtslage in Katar geschaut werden. Infantino dürfte den Kongress am Donnerstag (10.00 Uhr MESZ) sowie die Auslosung am Freitag (18.00 Uhr) für weitere Werbung nutzen. Großen Diskussionsstoff birgt die Kongress-Tagesordnung dieses Mal nicht, der Streit um eine Verkürzung des WM-Rhythmus auf zwei statt vier Jahre wird nicht offiziell aufgeführt und könnte erst wieder im Sommer offiziell auf die Agenda rücken.

Was sagt der DFB?

Die Nationalmannschaft hatte in der vergangenen Woche Besuch von Vertretern von Amnesty und Human Rights Watch. «Generell ist es sehr gut, dass sie uns eingeladen haben und ein Interesse haben, sich über Menschenrechte zu informieren», sagte HRW-Deutschland-Chef Wenzel Michalski der Deutschen Presse-Agentur. «Ich habe den Eindruck, je älter und reifer die Spieler waren, desto mehr hat es sie interessiert. Auch wegen der persönlichen Erfahrungen, die sie von Turnieren zum Beispiel in Russland gemacht haben.» Im vergangenen Jahr protestierte die DFB-Auswahl mit einer T-Shirt-Aktion für Menschenrechte, bis zur WM dürften weitere Aktionen geplant werden. Sportlich erfährt der DFB am Freitag, welche Hürden in Katar warten – aufgrund der Setzliste droht der Auswahl von Bundestrainer Hansi Flick mindestens ein Fußball-Schwergewicht in der Gruppenphase.

Von Jan Mies und Florian Lütticke, dpa