Die riesige Rauchwolke des Raketen-Angriffs hing auch am Tag danach noch am Himmel nahe der Formel-1-Strecke von Dschidda.
Doch nach heftigen Diskussionen wohl auch über einen Boykott der Fahrer hatten die Grand-Prix-Macher von Saudi-Arabien am frühen Samstagmorgen ihr Rennen gerettet. Die besorgten Piloten ließen sich überzeugen, der Weltverband Fia und die Formel-1-Bosse verkündeten: Alles läuft weiter wie geplant.
Umfassende Sicherheitsgarantien der saudischen Regierung seien der Grund für die Entscheidung, teilten die Fia und die Rennserie gemeinsam mit. Kurz darauf übermittelte auch die Gewerkschaft der Piloten ihren Willen zur Teilnahme am zweiten Saisonlauf am Sonntag (19.00 Uhr/Sky). Erst um 2.30 Uhr Ortszeit hatten alle Parteien am Samstagmorgen eine Übereinkunft erzielt.
Schumacher-Crash sorgt für Schockmoment
Die nächsten bangen Momente folgten am Abend, als Mick Schumacher in der Qualifikation einen Horror-Crash verursachte. Der Haas-Rennwagen des 23-Jährigen wurde dabei schwer zerstört, der Jungstar aber kam glimpflich davon. Im Streckenhospital wurden keine äußeren Verletzungen festgestellt, Schumacher konnte auch mit Mutter Corinna sprechen. Zur Vorsicht wurde er per Hubschrauber in eine Klinik in Dschidda für weitere Tests gebracht. Am späten Abend entschied sein Team, dass Schumacher am Sonntag nicht starten wird.
Die Pole Position holte sich nach langer Unterbrechung wegen der Aufräumarbeiten an der Unfallstelle zum ersten Mal in seiner Karriere Sergio Perez. Der mexikanische Red-Bull-Fahrer verwies Auftaktsieger Charles Leclerc und dessen Ferrari-Teamkollegen Carlos Sainz etwas überraschend auf die Plätze zwei und drei. Weltmeister Max Verstappen musste sich im zweiten Red Bull mit Platz vier begnügen. Superstar Lewis Hamilton war im Mercedes als 16. schon früh ausgeschieden.
Die Aufregung auf dem Asphalt konnte den Schock über den Einschlag einer Rakete in eine nur wenige Kilometer entfernte Ölanlage des Formel-1-Hauptsponsors Aramco aber nur kurz vergessen machen. Huthi-Rebellen hatten am Freitag mehrere Ziele in Saudi-Arabien angegriffen. Hintergrund ist der Krieg im Jemen, den das Königreich gegen die Huthis führt und der eine der schlimmsten aktuellen humanitären Katastrophen ausgelöst hat.
«Ein schwieriger Tag für die Formel 1»
«Gestern war ein schwieriger Tag für die Formel 1 und ein aufreibender Tag für uns Formel-1-Fahrer», teilte die Fahrervertretung GPDA mit. «Es war schwierig, ein voll konzentrierter Rennfahrer zu bleiben und alle natürlichen menschlichen Bedenken auszuschalten, wenn man den Rauch von dem Vorfall gesehen hat.»
Nach den beiden Freitagstrainings berieten die Fahrer mehr als vier Stunden, wie es weitergehen soll. Teilweise waren auch Formel-1-Chef Stefano Domenicali, Sportchef Ross Brawn und einige Teambosse dabei. Eine «große Breite von Meinungen» sei diskutiert worden, hieß es.
Dem Vernehmen nach erklärten die Funktionäre den Piloten auch die möglichen Folgen einer vorzeitigen Abreise. Angeblich kassiert die Rennserie für den Zehnjahresvertrag mit Saudi-Arabien Antrittsgelder von insgesamt 900 Millionen Dollar. Das Versprechen für eine maximale Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen habe letztlich zu einer Lösung geführt, teilte die GPDA mit. Der Ton des Statements lässt offen, ob wirklich alle Fahrer voll hinter dem Beschluss stehen.
Ex-Rennfahrer Ralf Schumacher zumindest entschied sich anders und trat die Heimreise an. Der Sky-Experte und Kommentator Sascha Roos machten sich am Samstagmorgen auf den Weg zurück nach München und berichteten von dort über Abschlusstraining und Qualifikation.
Der Sender hatte allen Mitarbeitern freigestellt, ob sie in Dschidda bleiben wollen. «Da sind so viele Dinge in Saudi-Arabien, die ich nicht richtig finde. Die kann ich nicht unterstützen, deswegen bin ich gefahren. Das ist aber meine persönliche Entscheidung», sagte Schumacher.
Ben Sulayem: «Formel 1 nicht das Ziel der Attacken»
Der neue Weltverbandschef Mohammed Ben Sulayem hatte zuvor beteuert, die Formel 1 sei nicht das Ziel der Attacken. «Sie zielen auf die Infrastruktur, nicht die Zivilisten und natürlich nicht auf die Strecke», sagte der 60-Jährige aus Dubai. Dies sei überprüft worden. «Lasst uns ein Rennen fahren», sagte Ben Sulayem.
Für die Formel 1 stellt sich durch die Geschehnisse indes einmal mehr die Frage nach der Auswahl ihrer Partner. Erst vor wenigen Wochen hatte die Rennserie ihre Verträge für Rennen in Russland wegen des Krieges in der Ukraine gekündigt. Andere Grand-Prix-Gastgeber wie Bahrain, Aserbaidschan, China oder Katar stehen wegen ihrer Verstöße gegen Menschenrechte ebenfalls seit Jahren in der Kritik.
Fia und Formel 1 ließen in ihrer Mitteilung erkennen, dass über die Ereignisse von Dschidda noch zu reden sein wird: «Mit allen Beteiligten ist vereinbart, einen klaren und offenen Dialog während des Events und in der Zukunft weiterzuführen.»
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