Denise Herrmanns Freudentränen waren noch nicht getrocknet, als sie das gesamte deutsche Biathlon-Team zum Siegerfoto aufs Podest bat.
Mit ihrem sensationellen Gold-Coup hat die Sächsin bei den Winterspielen in Zhangjiakou nicht nur ihre eigene Karriere gekrönt, sondern auch für Erlösung bei den viel kritisierten Skijägern gesorgt. Die 33-Jährige bescherte Deutschland in China das zweite Gold nach dem Triumph von Rodler Johannes Ludwig. Herrmann leistete sich im Einzel nur einen Schießfehler und entschied die Königsdisziplin der Biathletinnen als erste Deutsche seit Andrea Henkel bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City zu ihren Gunsten.
«Es war das perfekte Rennen»
«Ich habe versucht, den perfekten Wettkampf zu machen. Am Ende auch ganz oben zu stehen, ist natürlich einfach unglaublich. Es war das perfekte Rennen», sagte Herrmann, die etwas Einmaliges schaffte. Denn für sie war es nach Olympia-Bronze mit der Langlauf-Staffel 2014 nun die erste Medaille im Biathlon – das war zuvor noch keiner Deutschen gelungen. «Ich bin super stolz, dass ich zwei Medaillen in zwei Sportarten habe», sagte sie. Unzählige Gratulanten, darunter IOC-Präsident Thomas Bach, scharten sich im Ziel um die fassungslose Herrmann, die etwas brauchte, um zu verstehen, was ihr gelungen war.
«Ich habe ordentlich auf die Fresse gekriegt dieses Jahr. Aber ich wusste, dass ich es kann», sagte Herrmann im ZDF und ergänzte später: «Das ist der größte Sieg für mich – der über mich selbst.» Und so war die Konkurrenz ohne Chance. «Phantastisch! Damit habe ich bestimmt nicht gerechnet», sagte der Präsident des Deutschen Skiverbandes, Franz Steinle. Florian Steirer, Bundestrainer der Frauen, hob die Bedeutung des Sieges hervor: «Jetzt die Medaille mitzubringen, bringt Ruhe in das ganze Team, das ist wichtig für die ganze Mannschaft.»
Extremes Anspruchsdenken in Deutschland
Die Frauen waren nach teils enorm schwachen Weltcups zuletzt hart kritisiert worden, weil sie mit der Spitze nicht mithalten konnten und pünktlich vor Olympia total außer Form schienen. «Man hat ein extremes Anspruchsdenken in Deutschland, auch aus den letzten Jahren heraus», sagte Herrmann: «Aber die Weltspitze ist einfach extrem zusammengerückt. Man darf sich keine Fehler mehr erlauben. Man muss immer an sich selber glauben.»
Nicht nur Herrmann bewies bei einbrechender Dunkelheit in China, dass die Form stimmt. Olympia-Debütantin Vanessa Voigt zeigte nach dem missglückten Einstand in der Mixed-Staffel eine starke Vorstellung und holte Rang vier. Nur 1,3 Sekunden fehlten zu Bronze. «Das ist wirklich schade und wäre fast schon kitschig, wenn es noch zu einer weiteren Medaille gereicht hätte», sagte Steirer. Voigt meinte: «Letztendlich ist dieser vierte Platz für mich wie ’ne Goldmedaille.»
Bei den letzten Schüssen blieb Herrmann cool
Obwohl sie knapp hinter Silber-Gewinnerin Anais Chevalier-Bouchet aus Frankreich und Marte Olsbu Röiseland aus Norwegen blieb, konnte sich die Thüringerin Voigt auch für Herrmann freuen. «Das ist natürlich großartig. Wir haben uns einfach angeschaut und haben gesagt: Okay, diese Kritiker, wir haben es denen einfach gezeigt», sagte Voigt, die erst seit dieser Saison fest im Weltcup startet: «Wir haben so viel einstecken müssen diese Saison. Dass es so aufgeht und dass wir hier jetzt eine Olympiasiegerin stehen haben, das ist einfach großartig.»
Bei wesentlich besseren Bedingungen mit vor allem weniger Wind als bei der Mixed-Staffel, die am Samstag zuvor nach zwei Strafrunden der jungen Voigt mit Platz fünf deutlich die Medaillenränge verfehlte, erwischte Herrmann einen guten Start und traf liegend und stehend jeweils die ersten fünf Schüsse. Herrmann setzte beim zweiten Liegendschießen den insgesamt 13. Versuch daneben und kassierte eine Strafminute. Doch bei den letzten fünf Schüssen blieb sie cool.
Alles auf Olympia ausgerichtet
Herrmann hatte die gesamte Vorbereitung der vergangenen Jahre nur auf Olympia ausgerichtet. Höhentraining, Tüfteln an der Waffe, jede Menge Schufterei im Sommer – sie wollte nichts dem Zufall überlassen für ihren großen Traum. Die aktuelle Saison war mit einem dritten Platz im Einzel von Östersund stark losgegangen, danach lief es bei der Wahl-Ruhpoldingerin aber nicht mehr rund.
Vor allem viele Fehler am Schießstand sorgten für schwache Resultate. Tiefpunkte waren ein 41. Platz in der Verfolgung von Oberhof mit acht Schießfehlern und eine vermasselte Olympia-Generalprobe mit Rang 23 zuletzt in Antholz. «Ich bin sehr begeistert, das hat sich nicht angedeutet», sagte Bundestrainer Steirer: «Wir haben aber im Saisonverlauf immer auf die Mädels vertraut.»
Auch Herrmann selbst glaubte trotz aller Rückschläge immer an sich und ging ihren Weg. «Ich wusste, ich habe meine Hausaufgaben gemacht und mich maximal gut vorbereitet. Ich konnte früh immer in den Spiegel gucken und sagen: Ich habe alles getan», sagte sie. Viele zweifelten schon, ob sie im höheren Alter noch einmal alles so zusammenbringen würde wie 2019. Damals war sie in Schweden sensationell Weltmeisterin in der Verfolgung geworden und hatte bewiesen, dass sich der Wechsel vom Langlauf 2016 gelohnt hat: «Ich bin sehr froh, dass ich das gemacht habe. Das Risiko war es wert.»
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