24. November 2024

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Nach Flagge und Rekord: Pechstein wird Olympia-Edelfan

Im Ziel jubelt Claudia Pechstein mit dem Glücksgefühl einer Heldin. Zeit und Rang ihres 3000-Meter-Rennens in Peking sind ihr egal. Für die Ausnahme-Eisschnellläuferin zählt nur ein Rekord. Nun schaltet die 49-Jährige in den Genießer-Modus.

Erst die Flagge, dann der Rekord und nun der Genuss: Nur gut eine Stunde nach ihrem Zieleinlauf schmiedete Claudia Pechstein Pläne für eine olympische Entdeckungstour.

Mit ihrem Start über die 3000 Meter in Peking hat sich die Ausnahme-Eisschnellläuferin ihren Lebenstraum erfüllt – als erste Frau ist die 49-Jährige achtmal bei Olympischen Winterspielen angetreten. Fernab aller Medaillenambitionen will die Berlinerin bis zu ihrem zweiten Rennen am 19. Februar im Massenstart die ihr bislang unbekannten Vorzüge einer unbeschwerten Olympia-Touristin auskosten.

Pechstein nun Olympia-Touristin

«Ich versuche, alle Events, wo ich dabei sein kann, mitzunehmen. Ich möchte die ganze deutsche Mannschaft miterleben und anfeuern, auch mal live dabei sein, denn die anderen Spiele vorher hatte ich immer noch andere Events dazwischen», skizzierte Deutschlands erfolgreichste Winter-Olympionikin ihre Absichten.

Ihre achten Olympischen Winterspiele, mit der sie die Bestmarke des japanischen Skispringers Noriaki Kasai eingestellt hat, haben ihr einen Eintrag in die Geschichtsbücher gesichert. «Wir zollen Claudia Pechstein unseren Respekt. Ihr Auftritt ist ein Zeichen des olympischen Geistes», sagte Zhao Weidong, Sprecher des Pekinger Organisationskomitees. Die weltweite Anerkennung macht sie stolz und schmeichelt ihr, gerade weil sie diese im eigenen Land nicht immer in der Form erhält, wie sie es für gerechtfertigt hält.

All die Komplimente nehme sie gerne mit, ihre Laufgegnerin habe gesagt, dass sie gegen eine «Legende» laufe. «Das geht natürlich runter wie Öl. Es war nicht so leicht zu laufen mit den ganzen Komplimenten im Kopf. Aber ich nehme das gerne mit, denn das hört man in Deutschland bei den Medien nicht so oft», sagte sie.

Für die mit dem achten Olympia-Start verbundene Bewunderung nahm die als enorm ehrgeizig bekannte Eislauf-Ikone sogar in Kauf, abgehängte 20. und damit Letzte geworden zu sein. Dass die Niederländerin Irene Schouten als Olympiasiegerin in 3:56,93 Minuten gut 20 Sekunden schneller war – geschenkt. Dass die Europameisterin ihr den vor 20 Jahren beim Olympiasieg in Salt Lake City aufgestellten Olympischen Rekord abgejagt hat – egal. «Ich habe alle Mädels, die hier am Start waren, schon mal geschlagen», betonte sie.

Ihre glanzvollen Zeiten sieht Claudia Pechstein inzwischen im Rückspiegel ihrer Karriere. Fünf Olympiasiege sowie je zwei Silber- und Bronzemedaillen kann ihr ohnehin niemand nehmen. Der Teilnahme-Rekord krönt nun ihre auch von der Tiefe einer Zwei-Jahres-Sperre wegen angeblichen Dopings und dem anschließenden Comeback geprägten Laufbahn.

Jubelpose beim Zieleinlauf

Die Genugtuung und die Glücksgefühle darüber zeigte sie der Sportwelt durch ihre Jubelpose beim Zieleinlauf. «Das war ein Sieg für mich. Mit dem Start auf den 3000 Metern habe ich diesen Rekord offiziell geschafft», sagte die fünfmalige Olympiasiegerin aufgekratzt. «Da kann man eigentlich nur mit einem Jubeln über die Linie laufen.» Bei 4:17,16 Minuten blieb die Uhr stehen und war das Maß für Platz 20 bei 20 Starterinnen – unwichtig. «Das Lustige ist, und das werden wahrscheinlich wenige verstehen, dass ich mit dieser Platzierung immer noch strahlen kann», sagte sie vergnügt.

Ihren ersten emotionalen Pekinger Höhepunkt hatte die Bundespolizistin bereits am Vorabend. Zusammen mit Bob-Olympiasieger Francesco Friedrich führte Claudia Pechstein die deutsche Mannschaft als Fahnenträgerin bei der Eröffnungsfeier ins Vogelnest-Stadion. «Olympiasieger gibt es ganz viele, aber Fahnenträger nicht so viele. Deswegen bin ich ganz stolz, dass ich in dem erlesenen Kreis dabei sein darf», gab sie zu.

Rund zwei Wochen will sie nun als Edelfan bei denen sein, die sie als Primus inter Pares beim Nationen-Defilee repräsentiert hat. «Jetzt unter Corona-Bedingungen freuen sich die Athleten wahrscheinlich, wenn man ein, zwei Zuschauer noch mehr hat aus der eigenen Mannschaft.»

Von Martin Kloth, dpa