21. November 2024

Sport Express

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Training um Mitternacht: Djokovic ist noch nicht am Ziel

Novak Djokovic hat mit dem Einspruch gegen die Verweigerung seiner Einreise nach Australien Erfolg. Kurz nach dem Gerichtsurteil trainiert er. Doch sein Start bei den Australian Open ist nicht sicher.

Am Ende eines langen und turbulenten Tages stand Novak Djokovic dort, wo er seine größten Erfolge gefeiert hat.

Zusammen mit seinem Trainer Goran Ivanisevic trainierte der 34 Jahre alte Tennis-Topstar in der Rod Laver Arena, nur rund sieben Stunden, nachdem ein Gericht in Melbourne dem Einspruch des ungeimpften Serben gegen die Verweigerung der Einreise nach Australien stattgegeben hatte.

«Ich bin zufrieden und dankbar, dass der Richter die Annullierung meines Visums zurückgenommen hat. Ungeachtet allem, was passiert ist, will ich bleiben und versuchen zu spielen», schrieb Djokovic zu einem Foto, das er in den sozialen Medien verbreitete. «Das ist es, worauf ich fokussiert bleibe. Ich bin hierher geflogen, um bei einem der bedeutendsten Events, das wir haben, und vor den tollen Fans zu spielen.»

Start weiter offen

Allerdings steht auch nach diesem bemerkenswerten Tag mit vielen Wendungen immer noch nicht fest, ob Djokovic bei den am kommenden Montag beginnenden Australian Open tatsächlich an den Start gehen darf. Der australische Einwanderungsminister Alex Hawke kann ihm das Visum erneut entziehen.

Zunächst machte Hawke von diesem Recht aber keinen Gebrauch, er kann dies jedoch in den nächsten Tagen noch tun. «Der Minister beschäftigt sich derzeit mit dem Fall, und dieser Prozess läuft noch», sagte ein Sprecher von Hawke am Montagabend. Djokovic hatte aus Sicht der Behörden bei seiner Ankunft in Melbourne nicht die nötigen Dokumente für eine medizinische Ausnahmegenehmigung vorlegen können, um auch ohne Corona-Impfung einreisen zu dürfen.

Die Regierung hatte bereits vor der Verhandlung angekündigt, sie erwäge im Falle einer Aufhebung der Einreiseverweigerung weitere Schritte, um Djokovic weiter das Visum vorzuenthalten. Das bestätigte der Regierungsanwalt Christopher Tran auch zum Ende der Verhandlung. Auch gegen eine erneute Verweigerung des Visums könnte Djokovic, dem dann in Australien eine Einreisesperre für die kommenden drei Jahre drohen würde, wieder Rechtsmittel einlegen.

PK der Familie

Erst einmal darf sich Djokovic in Melbourne aber frei bewegen und nutzte dies umgehend zur ersten Trainingseinheit auf australischem Boden. Das Abschiebehotel, in dem er sich in den vergangenen Tagen aufhalten musste, durfte er bereits kurz nach der Gerichtsverhandlung verlassen. Zudem ordnete der Richter Anthony Kelly an, dass Djokovic seine persönlichen Dinge und seinen Pass zurückbekommt.

Doch auch wenn Djokovic am späten Abend erstmals in der von ihm so geliebten Rod Laver Arena trainieren konnte, bleiben viele Fragen offen. Daran konnte auch eine Pressekonferenz seiner Familie in der serbischen Heimat nichts ändern. Als es zum Ende der Veranstaltung kritische Fragen dazu gab, warum sich Djokovic einen Tag nach seinem positiven Coronatest vom 16. Dezember 2021 ohne Masken und Abstand bei öffentlichen Veranstaltungen gezeigt habe, brach der Bruder des Weltranglisten-Ersten die Presserunde einfach ab.

Ohnehin ging es der Familie nur darum, ihren berühmten Sohn als Helden darzustellen und die australische Regierung weiter heftig zu kritisieren. «Das ist sein größter Sieg in seiner Karriere, größer als alle seine Grand Slams», sagte Mutter Dijana hinter einem Tisch sitzend, auf dem zahlreiche Trophäen von Djokovic platziert waren. «Er wird weitere zehn Grand Slams gewinnen», verkündete Vater Srdjan vollmundig. Der Rechtsstreit um das Einreisevisum werde dem Sohn «zusätzliche Kraft» verleihen. «Er ist mental so stark, dass ihn das alles nicht beeinträchtigt hat.»

Unterstützung durch serbische Landsleute

Auch in Melbourne erhielt Djokovic große Unterstützung durch seine serbischen Landsleute. Vor dem Gebäude in der Collins Street im Zentrum von Melbourne, in dem sich Djokovic mit seinen Anwälten zu der online durchgeführten Gerichtsversammlung eingefunden hatte, spielten sich nach der Urteilsverkündung zum Teil chaotische Zustände ab. Tausende Anhänger von Djokovic waren mit Serbien-Flaggen gekommen, um ihr Idol zu unterstützen. Als Menschen ein Auto beim Verlassen der Tiefgarage bedrängten, setzten die Polizeibeamten sogar Pfefferspray ein.

Richter Kelly hatte in der Verhandlung zuvor erklärt, er halte das Verhalten der Behörden gegenüber Djokovic für unverhältnismäßig. «Was hätte dieser Mann noch mehr tun können?», hatte Kelly gesagt. Allerdings begründete der Richter sein Urteil in erster Linie damit, dass Djokovic zu wenig Zeit eingeräumt worden sei, um bei der stundenlangen Befragung durch die Grenzbeamten angemessen reagieren zu können. Ob die Verweigerung der Einreise des ungeimpften Djokovic wegen unzureichender Belege für eine medizinische Ausnahmegenehmigung grundsätzlich rechtens war, darüber entschied der Richter nicht.

Und so bleiben eine Woche vor dem Start der Australian Open weiter viele Fragen. Auch wenn Djokovic im Commonwealth Law Courts Building am Montag ein wichtiger Sieg gelang, ist der Weg zu seinem zehnten Triumph in der Metropole am Yarra River noch lange nicht frei. Der Fall ist längst auch für die australische Regierung zu einer heftigen Belastungsprobe geworden. Auch das könnte bei der Entscheidung des Einwanderungsministers eine wichtige Rolle spielen. Es ist daher weiterhin möglich, dass die Trainingseinheit am Montag rund um Mitternacht seine letzte in diesem Jahr in Melbourne war.

Von Lars Reinefeld, Gregor Mayer und Robert Semmler, dpa