Klimaneutral und sozial statt nur Tore und Titel: Im Sportsponsoring ist seit langem ein Umdenkprozess im Gange. Und ausgerechnet die Corona-Krise ist dabei eher Beschleuniger als Bremser.
Die Pandemie und ihre Folgen haben gezeigt, dass ökologische und soziale Themen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen – auch im deutschen Profi-Fußball. «Wir glauben, dass Partnerschaften in Zukunft sehr viel inhaltlicher getrieben sein werden. Ein Fokus liegt dabei auf Nachhaltigkeitsthemen», sagte Jana Bernhard, Geschäftsführerin der Sponsorenvereinigung S20, der Deutschen Presse-Agentur. «Nachhaltigkeit in Geschäftsprozesse zu integrieren und umzusetzen, ist wie ein Marathon – und nicht von heute auf morgen gelöst.»
Wer ESG-Faktoren (Environmental/Umwelt, Social/Soziales, Unternehmensführung/Governance) oder CSR-Maßnahmen (Corporate Social Responsibility/Soziale Verantwortung von Unternehmen) in der Marketingstrategie seines Clubs nicht berücksichtigt, wird es schwer haben, künftig Partner in der Wirtschaft zu finden. Und gefährdet möglicherweise sogar seine Lizenz.
DFL mit neuem Lizenz-Kriterium
Denn bei ihrer Mitgliederversammlung am 14. Dezember beschloss die Deutsche Fußball Liga, Nachhaltigkeit als ein Kriterium in die Lizenzierung für die Bundesliga und 2. Bundesliga aufzunehmen. Damit wird im deutschen Fußball eine gesellschaftliche Entwicklung formalisiert.
Denn Ökologie, Anti-Rassismus, Inklusion, Diversität, soziale Gerechtigkeit, LGBTQ oder Frauengleichstellung gehören zum allgemeinen Diskurs – schon lange vor und erst recht während Corona. Investmentgesellschaften haben diese gesellschaftliche Entwicklung erkannt und sehen, dass sich Investitionen in die Unternehmen lohnen, die auch nachhaltig wirtschaften.
Sogar der weltweit größte Vermögensverwalter Blackrock erklärte Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Menschenrechte zu seinen Schwerpunkten. Auch viele Firmen berücksichtigen in ihrem wirtschaftlichen Handeln vermehrt gesellschaftliche Themen. Dies geschieht sicher nicht aus altruistischen, sondern vorwiegend aus Profitgründen.
Druck aus mehreren Bereichen
«An dem Thema Nachhaltigkeit kommt auch das Sportsponsoring nicht mehr vorbei. Die Wirtschaftspartner werden immer mehr Anforderungen in diesem Bereich stellen», sagte S20-Geschäftsführerin Bernhard. «Unternehmen richten ihre Geschäftsmodelle schon seit Jahren nachhaltig aus, um den Anforderungen der Konsumentinnen und Konsumenten gerecht zu werden und zukunftsfähig zu bleiben.»
Dies zeigt sich auch im Sponsoring – mit Konsequenzen für den Sport im Allgemeinen und im Profi-Fußball im Besonderen. Denn um interessant für Sponsoren zu sein, müssen die Fußball-Unternehmen aus der Bundesliga und 2. Bundesliga den potenziellen Partnern auch entsprechende Plattformen liefern und Angebote machen. «Der Druck kommt aus der Wirtschaft. Das verändert sich schon», meinte Bernd von Geldern, Geschäftsleiter Wirtschaft beim Zweitliga-Tabellenführer FC St. Pauli.
Doch der Druck kommt nicht nur aus der Wirtschaft. In dem Punkt spielen Fans und Unternehmen Doppelpass. «Fans und aktive Sportler:innen, insbesondere die Generation Z und Millennials, sind sehr aufmerksam, wenn es um Aspekte der Nachhaltigkeit und gesellschaftliches Engagement geht», schrieben Martin Weirich, Daniel Wildhirt und Konstantin Druker von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland in einem Gastbeitrag für das Fachportal «sponsors.de».
Nachhaltige und faire Merchandisingprodukte
Der FC Bayern München bekam das auf seiner Jahreshauptversammlung im November im Disput mit Club-Mitgliedern um das umstrittene Sponsoring von Qatar Airways zu spüren.
Auch hat die Corona-Pandemie die Entfremdung der Anhänger vom Profi-Fußball und dessen neoliberalen Auswüchsen nicht nur deutlich gemacht, sondern zu einem großen Teil auch verstärkt. «Wenn wir aus den gesellschaftlichen Diskussionen aussteigen, hat der Fußball nicht mehr den Zuspruch», sagte St. Paulis von Geldern. «Das ist zu spüren. Es gibt ja eine gewisse Kühle bei der Betrachtung, zumindest beim Bundesliga-Fußball.»
Von Geldern und der Hamburger Stadtteil-Club haben diese Distanz zu den Fans nicht. Schon lange bevor Nachhaltigkeit zu einem der meist benutzten Begriffe im gesellschaftlichen Diskurs wurde, war der FC St. Pauli aktiv. Schon 2016 wurde auf Antrag einer damals 17-Jährigen auf der Mitgliederversammlung beschlossen, dass die Merchandisingprodukte nachhaltig und fair produziert werden sollen.
FC St. Pauli profitiert
«Wir haben das konsequent gemacht. Wir können heute 80 Prozent unseres Merchandising-Sortiments genau ausclustern, was wir da für Nachhaltigkeit getan haben», sagt von Geldern. Jüngste Idee des Vereins war, trotz der Pandemie das Ausrüsterrecht nicht zu vergeben und stattdessen selbst die Trikots unter der Marke «DI!Y» nach Nachhaltigkeits- und Fairnesskriterien herzustellen.
«Wir sind keine Greenwasher, wir labern nicht, sondern wir wollen gerne Themen vorantreiben», betonte von Geldern. Auf der Versammlung am 1. Dezember wurde ein Antrag angenommen, künftig eine «Gemeinwohlbilanz» aufzustellen, in die die Wirksamkeit von sozialen Projekten einfließt.
Das lange gepflegte und gelebte Image des etwas anderen, des linken Clubs hilft dem FC St. Pauli mittlerweile in der sich verändernden Sponsoring-Welt. «Das ist aber nicht so, dass die Firmen Schlange stehen. Wir müssen uns kümmern», erläuterte von Geldern. «Wir merken allerdings, dass es uns leicht fällt, mit diesen Partnern ins Gespräch zu kommen, weil sie das Angebot interessant finden. Und weil sie unser Angebot authentisch finden.»
Authentizität wichtig
Der FC St. Pauli ist aber nicht der einzige Verein, der schon auf dem Nachhaltigkeitsweg unterwegs ist. Erstligist TSG 1899 Hoffenheim schuf in «Umoja» eine Lifestyle-Marke. Die Produktion findet vollständig in Uganda statt. Der VfL Wolfsburg schloss sich der «Race-to-zero»-Initiative der UN an. Der FSV Mainz 05 nennt sich seit 2010 klimaneutraler Bundesliga-Verein.
Wichtigstes Kriterium für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Vereinen und Unternehmen: die Authentizität. «Wir müssen darauf achten, dass wir gemeinsame Aktivitäten glaubwürdig angehen», sagte Jana Bernhard von der S20. «Dabei müssen alle drei Dimensionen – soziale, ökonomische und ökologische – Beachtung finden.»
Von Geldern sieht eine Entwicklung weg vom bisherigen klassischen Sponsoring. «Ich glaube, dass es zu einer Verringerung der Sponsoren hin zu einer echten Partnerschaftlichkeit kommt», sagte er. Umso wichtiger sei es, die richtigen Sponsoren zu finden. «Das wird unsere Hauptaufgabe sein, den zukünftigen Sponsoren aufzuzeigen, wie sie stattfinden können und was wir gemeinsam vorhaben.»
Eines dürfe man aber nicht vergessen, forderte von Geldern. «Was uns nicht passieren darf, ist, dass wir nach unten abstürzen. Denn dann ist alles, was wir sagen, perdue. Dann wird es nicht mehr so stark gehört.» Am Ende geht es auch um Sport.
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