22. November 2024

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Peng Shuai bestreitet Missbrauchsvorwurf

Die Kontroverse um Peng Shuai belastet die Vorbereitungen für die Winterspiele in Peking. Erstmals äußert sich die chinesische Tennisspielerin öffentlich dazu - und spricht von «Missverständnissen».

Peng Shuais Lächeln friert ein, als die Fragen nach ihrem Wohlergehen und den Vorwürfen gegen einen chinesischen Spitzenpolitiker beginnen.

Sichtlich nervös bestreitet die Tennisspielerin in dem improvisiert wirkenden Video-Interview, die Anschuldigungen eines sexuellen Übergriffs erhoben zu haben. «Ich muss einen Punkt betonen, der äußerst wichtig ist: Ich habe niemals gesagt oder geschrieben, dass mich jemand sexuell angegriffen hat. Das muss ich mit Nachdruck feststellen», sagt Peng Shuai. Sie fühlt sich nach ihren Worten missverstanden. Die Damen-Organisation WTA bleibt tief beunruhigt.

Das Interview der chinesischen Zeitung «Lianhe Zaobao» aus Singapur sorgt am Montag für Aufsehen über die Sportwelt hinaus. Es ist das erste Mal seit Beginn der Kontroverse vor eineinhalb Monaten, dass sich Peng Shuai vor der Kamera öffentlich und direkt dazu geäußert hat. Die frühere Weltranglistenerste im Doppel hatte Anfang November im sozialen Netzwerk Weibo einen Post veröffentlicht, der als Vorwurf eines sexuellen Übergriffs durch das frühere Politbüromitglied, Ex-Vizepremier Zhang Gaoli (75), verstanden wurde. Der Post wurde bald danach gelöscht. Auch hatte die staatliche Zensur jede Debatte im chinesischen Internet darüber geblockt.

«Private Angelegenheit»

Das Video-Interview fand am Rande einer Ski-Langlauf-Veranstaltung in Shanghai statt, wo sie unter anderen in Begleitung des chinesischen Basketball-Star Yao Ming war. Es war mit einem Handy aufgenommen, ist daher etwas wacklig. Die 35-Jährige verstand nicht alle Fragen, musste mehrfach nachhaken und sich sammeln. In dem Interview beschrieb Peng Shuai ihren Weibo-Post als «private Angelegenheit». Bei Lesern seien möglicherweise «viele Missverständnisse» aufgetreten, sagte der Tennisstar.

Als Reaktion auf den Post hatten Sportler, Politiker und Menschenrechtler aus aller Welt ihre Sorge um das Wohlergehen der Tennisspielerin geäußert. Weil ihr die Signale aus China zum Schicksal von Peng Shuai nicht ausreichten, setzte die Damen-Tour WTA Anfang Dezember alle Turniere in China und Hongkong aus, obwohl China ein wichtiger Geldgeber ist.

Auch am Montag äußerte sich die WTA weiter besorgt: Diese Auftritte wie in dem Video-Interview würden die Sorgen der WTA über Peng Shuais Wohlergehen und ihre Fähigkeit, ohne Zensur und Zwang zu kommunizieren, nicht lindern, teilte die Organisation auf Anfrage mit. «Wir bleiben standhaft in unserer Forderung nach einer vollen, fairen und transparenten Untersuchung», hieß es. Es sei gut gewesen, die 35-Jährige erneut in einem öffentlichen Rahmen zu sehen.

Schatten vor Olympia

Der Fall überschattet auch die Vorbereitungen für die Olympischen Winterspiele im Februar in Peking. Der deutsche Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, geriet unter Druck, nachdem er in Videoschalten mit dem Tennisstar gesprochen hatte. Er wiederholte am Samstag in einem «Sportschau»-Interview, dass das IOC in ihrem Fall weiter auf «stille Diplomatie» setze.

Peng Shuai betonte in dem Interview, dass sie ungehindert in Peking lebe und nicht unter Aufsicht stehe: «Warum sollte mich jemand überwachen? Ich bin immer frei gewesen.» Auch ihre E-Mail an WTA-Chef Steve Simon von Mitte November habe sie aus freien Stücken geschrieben. Darin hatte sie betont, dass die Berichte über sie, «einschließlich des Vorwurfs der sexuellen Nötigung», nicht wahr seien und dass es ihr gut gehe. Das Schreiben verstärkte die Besorgnis der WTA allerdings eher noch.

Auf die Frage, ob sie ins Ausland reisen wolle, verwies Peng Shuai darauf, dass sie nicht mehr aktiv Tennis spiele und wegen der Pandemie gegenwärtig auch nicht die Absicht habe, China zu verlassen: «Was soll ich jetzt da draußen machen?» Während die Fragestellerin nicht weiter auf die diskutierten Vorwürfe des sexuellen Übergriffs einging, fragte sie allerdings detailliert, ob Peng Shuai ihre Mail an die WTA auch selbst geschrieben habe. Auch gab sie ihr ausgiebig Gelegenheit zu betonen, dass sie sich frei bewegen könne.

Video war zugänglich

Die «Lianhe Zaobao» ist die einzige chinesisch-sprachige Zeitung aus dem Ausland, die auch in China verkauft werden darf – somit also auch den Anforderungen der staatlichen Zensur entspricht. Anders als in den vergangenen Wochen schritt die Zensur bei dem Video-Interview im Internet auch nicht ein. Es war von China aus zugänglich. Online waren aber unverändert keine Diskussionen zu finden. Auf Hinweise von ausländischen Journalisten, wonach das Interview die Sorgen der WTA nicht zerstreut habe, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian vor der Presse lediglich: «Das ist keine diplomatische Frage.»

Der deutsche Tennisstar Alexander Zverev hatte am Sonntagabend noch seine Besorgnis über Peng Shuai geäußert: «Ich hoffe einfach, es geht ihr gut.» Auch hoffe er, dass sie «in einer halbwegs sicheren Lage» sei. Er wies zudem auf Zweifel, ob sie ihre Mail an die WTA aus freien Stücken geschrieben hat. «Es schaut so aus, als ob sie es nicht geschrieben hat, sondern es für sie geschrieben wurde.» Er hoffe, dass sie «hoffentlich bald auch wieder auf der Tour sein kann». Zu den #MeToo-Vorwürfen sagte Zverev: «Wir wünschen uns auch, dass es solche Sachen nicht mehr gibt. Aber die gibt es leider.»

Von Andreas Landwehr und Kristina Puck, dpa