Wer am 15. Dezember durch die Sportkanäle zappt, wird sich ob dieser Parallelwelten verwundert die Augen reiben.
Beim Bundesliga-Spiel in Augsburg werden in einem Stadion für 30.000 Menschen null Zuschauerplätze belegt sein. Die wenigen Beteiligten abseits des Rasens werden mit Masken an der frischen Luft und in der leeren Arena sitzen. Im Norden Londons wird es zeitgleich in einer engen Halle so aussehen: 3000 Fans, oftmals alkoholisiert und noch häufiger bunt und schrill verkleidet, werden ohne Abstand und Masken am Platz den Start der Darts-Weltmeisterschaft zelebrieren. «Onehundredandeighty» und weiteres Gegröle sollen die Rückkehr der Normalität im Alexandra Palace signalisieren.
An den Tischen soll alles so sein wie früher
«Die Fans sind alles, was dieses Spiel braucht. Es ist nicht das gleiche ohne die Fans, deshalb ist es großartig, dass sie zurückkehren», sagte Rekord-Weltmeister Phil Taylor der Deutschen Presse-Agentur. Auch im Alexandra Palace werden die üblichen Corona-Grundprinzipien wie die 3G-Regel (Zutritt nur für Geimpfte, Genesene und Getestete) oder die Maskenpflicht gelten, wenn sich Fans von ihren Plätzen entfernen.
Aber an den Tischen, wo kräftig getrunken und lautstark gesungen wird, soll alles so sein wie früher. «Die Engländer gehen schon anders als wir damit um. Mein Gefühl ist, dass sie das einfach durchziehen», sagte Experte und Kommentator Elmar Paulke.
Es ist kein Darts-Phänomen, das sich in den kommenden Wochen bis zum 3. Januar zeigen wird. Auf der Insel war schon im Sommer bei der Fußball-EM das Wembley-Stadion voll, das setzte sich im Anschluss in der Premier League fort und gilt nun auch für die vorweihnachtliche Party der Pfeilewerfer. Dabei breitet sich auch in Großbritannien die Corona-Variante Omikron stark aus. Offiziell sind bisher gut 3100 Fälle gemeldet, aber nach Schätzungen der Regierung gibt es bereits zehnmal so viele Omikron-Infektionen. Seit 13. Dezember sollen alle, die können, wieder von zu Hause arbeiten.
Es geht auch um Show und Inszenierung
In die West Hall in London passen zwar nur 3000 Zuschauer, die für ausgelassene Feierstimmung bekannte Location auf einer Anhöhe hat aber längst Kultstatus erworben. Es geht dabei nicht nur um den Darts-Sport, sondern auch um Show und Inszenierung. Fans kommen als Riesenbanane, Teletubby oder Queen Elizabeth verkleidet, das internationale TV-Bild fängt die bunte Vielfalt im Publikum gerne ein. Der deutsche Debütant Fabian Schmutzler sagt: «Es ist die größte Bühne des Darts. Es ist das Nonplusultra von allem, was es gibt.»
Auf dieser Bühne wird nun in knapp drei Wochen Darts gespielt. 96 Teilnehmer aus 31 Nationen, viele Pfeile und noch mehr Bier. Martin Schindler, der schon zweimal qualifiziert war, beschreibt das Treiben so: «Du hast die Mega-Atmosphäre. Die Fans feiern, als wären sie im Club. Der Caller (Schiedsrichter) ist wie der DJ in einer Disco. Wenn die 180er fallen, ist es einfach eine Riesenparty.» Umso erstaunlicher war es, dass das wichtigste Turnier im Vorjahr auch eine große mediale Präsenz erhielt, als pandemiebedingt keine Fans zugelassen waren.
«Es ist diese besondere Zeit im Jahr»
Der exklusive Termin rund um den Jahreswechsel ist dabei auch zum Vorteil für die Darts-Organisatoren geworden. Der große Fußball pausiert oft, auch sonst tut sich abseits des Wintersports nicht viel. «Es ist diese besondere Zeit im Jahr. Es hat sich eingebürgert, dass das die Darts-Zeit ist – auch für Leute, die sonst nicht so eng mitfiebern», sagte Schindler. Neben ihm und Debütant Schmutzler wird Deutschland auch von der nationalen Nummer eins Gabriel Clemens und dem ehemaligen Handballer Florian Hempel vertreten.
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