Timo Boll hat zum zweiten Mal in seiner Karriere eine WM-Einzelmedaille sicher. Trotz einer schmerzhaften Bauchmuskelzerrung zog der 40-Jährige in Houston durch einen 4:2-Sieg gegen den Amerikaner Kanak Jha ins Halbfinale der Tischtennis-Weltmeisterschaften ein.
Da der dritte Platz bei einer WM nicht extra ausgespielt wird, ist Boll die Bronzemedaille nicht mehr zu nehmen. Silber oder sogar Gold könnten es werden, wenn er jetzt auch gegen den 19-jährigen Schweden Truls Möregardh gewinnt. Nach deutscher Zeit beginnt dieses Halbfinale in der Nacht zu Montag um 01.50 Uhr deutscher Zeit.
Boll mit Biss
«So verrückt kann Tischtennis sein», sagte Boll. «Ich wusste nicht mehr, ob ich nicht einfach hinschmeißen sollte. Das Gefühl war nicht mehr schön. Aber ich wollte alles probieren und mir nicht den Vorwurf machen, in einem WM-Viertelfinale nicht alles gegeben zu haben.»
Der Rekord-Europameister von Borussia Düsseldorf plagt sich seit dem Beginn dieser WM-Woche mit Beschwerden am Bauchmuskel herum. Bislang hatten die ihn bei diesem Turnier kaum beeinträchtigt. Vor dem Duell mit dem 19 Jahre jüngeren Jha wurden die Schmerzen jedoch stärker.
Vom eigenen Publikum noch zusätzlich angetrieben, gewann der Amerikaner so auch den ersten Satz mit 11:4. Boll holte danach einen einseitigen zweiten (11:5) und einen hart umkämpften dritten Durchgang (12:10), der das Match in seine Richtung lenkte. Am Ende nutzte er gleich den ersten von drei Matchbällen gegen den in der Bundesliga für TTF Liebherr Ochsenhausen spielenden Außenseiter.
Lob vom Bundestrainer
«Das war ein schweres Spiel für Timo. Er ist schon gehandicapt, und man kann spüren, dass er sich quält», sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf. «Aber er hat die Qualität. Er wollte die Medaille unbedingt haben.»
Der Star von Borussia Düsseldorf stand zwar schon vier Mal an der Spitze der Weltrangliste, gewann acht EM-Titel und bereits sechs WM-Medaillen mit der deutschen Mannschaft. Bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften holte er im Einzel bislang aber nur die Bronzemedaille bei der WM 2011 in Rotterdam.
«Damals war ich DTTB-Vizepräsident und bin privat nach Rotterdam gereist. Das war ein großartiges Erlebnis. Heute ist ein Traum in Erfüllung gegangen, dass ich dabei sein durfte, als er dieses Ergebnis wiederholt hat», sagte der deutsche Verbands-Chef Michael Geiger. «Und noch sind ja weitere Optionen offen.»
Favoriten scheiterten früh
Boll profitiert bei dieser Weltmeisterschaft auch davon, dass in seiner Turnierhälfte reihenweise namhafte Spieler frühzeitig scheiterten: Vize-Weltmeister Mattias Falck (Schweden), der an Nummer zwei gesetzte Japaner Tomokazu Harimoto oder der Olympia-Halbfinalist Lin Yun-Ju (Taiwan). «Wir haben die Auslosung gesehen und gewusst, was alles möglich ist», sagte Roßkopf. Auf einen Chinesen könnte Boll erst wieder im Endspiel treffen. Der Weltranglistenerste Fan Zhandong und sein Landsmann Liang Jingkun bestreiten das zweite Halbfinale.
Doch erst einmal muss der Einzel-Europameister für das Halbfinale fit werden. Sein Gegner Möregardh warf unter anderem den deutschen Team-EM-Sieger Patrick Franziska und im Viertelfinale auch den Weltranglisten-17. Quadri Aruna aus Nigeria raus. «Toni und Birgit haben jetzt genug Arbeit vor sich», sagte Boll und meinte damit den deutschen Mannschaftsarzt und seine Physiotherapeutin.
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