Julian Brandt schüttelte nach dem Abpfiff verzweifelt den Kopf und raufte sich die Haare. In allerletzter Sekunde hatte der Offensivspieler den Ball ans Lattenkreuz geköpft und damit die große Chance zum Ausgleich im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League bei Atlético Madrid vergeben.
Doch auch so überwog beim BVB nach dem 1:2 (0:2) die Zuversicht auf das erste Halbfinale in der Königsklasse seit elf Jahren. Nach einer zunächst bedenklichen Vorstellung steigerte sich das Team von Trainer Edin Terzic in der zweiten Halbzeit und erzielte durch den eingewechselten Sébastien Haller (81. Minute) den so wichtigen Anschlusstreffer. Damit geht der Bundesliga-Fünfte nicht chancenlos ins Viertelfinal-Rückspiel sechs Tage später daheim.
«In der ersten Halbzeit kannst du hier auch untergehen. Aber wir haben Moral bewiesen, wir waren da in der zweiten Halbzeit», sagte BVB-Kapitän Emre Can bei DAZN: «Wenn wir im Rückspiel so spielen wie in der zweiten Halbzeit heute, dann kann das auf jeden Fall in der nächsten Woche etwas sehr Gutes werden.»
Jubiläum für Hummels
Vor 70.000 Zuschauern in hitziger Stadionatmosphäre hatten Rodrigo de Paul (4. Minute) und Samuel Lino (32.) die in der ersten Hälfte wie entfesselt aufspielenden Madrilenen, die unter Trainer Diego Simeone in K.-o.-Heimspielen der Königsklasse weiter ungeschlagen sind, völlig verdient mit 2:0 in Führung gebracht.
Vor allem für Mats Hummels war es ein besonderes Spiel, er lief zum 500. Mal im schwarz-gelben Trikot auf. Doch der Jubilar sah schon unmittelbar nach Anpfiff schlecht aus, als er sich bei einem Konter der Madrilenen verschätzte und so die Großchance durch Álvaro Morata (2.) mit ermöglichte. Ian Maatsen blockte den Ball mit einer Grätsche noch ab.
Der infernalische Lärm von den Tribünen des Estadio Metropolitano hinterließ bei den BVB-Profis mächtig Wirkung und führte zu einem kapitalen Fehlstart. Die Dortmunder wirkten überfordert und kamen mit dem aggressiven Pressing der Gastgeber überhaupt nicht zurecht. Das 0:1 nach nicht mal vier Spielminuten war dafür symbolisch: Torhüter Gregor Kobel verzögerte unnötig den Pass auf Maatsen, der den Ball mit dem Außenrist genau in die Beine von Torschütze de Paul spielte.
Die frühe Führung gab dem spielfreudigen Tabellenvierten der spanischen Primera División noch mehr Rückenwind. Der BVB hatte in den direkten Zweikämpfen zu oft das Nachsehen, beim eigenen Spielaufbau folgte aufgrund des gegnerischen Drucks häufig ein Fehlpass. Dabei hatte Sportdirektor Sebastian Kehl unmittelbar vor dem Anpfiff genau vor dieser «intensiven Spielweise» der Madrilenen gewarnt und gefordert: «Diese Widerstandsfähigkeit müssen wir zeigen.»
Zu viele BVB-Fehler
Trainer Terzic hatte deswegen extra den physisch stärkeren Felix Nmecha für Julian Brandt in die Startelf beordert, doch in Sachen Körperlichkeit war Atlético eine Klasse besser. Und der BVB leistete sich zu viele Fehler. Ein eklatantes Missverständnis der beiden BVB-Innenverteidiger Hummels und Nico Schlotterbeck ermöglichte Lino nach Vorarbeit von Antoine Griezmann das zweite Tor des Abends.
Der Bundesliga-Fünfte kam erst in der 35. Minute durch Karim Adeyemi zu seiner ersten Torchance. Kurz vor dem Halbzeitpfiff prüfte Maatsen mit einem Fernschuss Madrids Torhüter Jan Oblak, auch der lange Zeit blasse Jadon Sancho kam nochmal gefährlich vors Tor.
Auch nach dem Seitenwechsel versuchten die Dortmunder mit dem eingewechselten Brandt, selbst mehr Druck auf den Gegner auszuüben. Atlético mit dem ehemaligen BVB-Profi Axel Witsel hatte defensiv nur selten ernsthafte Probleme mit den Bemühungen des BVB. Kobel musste gar gegen Lino nach einem Freistoß in höchster Not das dritte Gegentor verhindern (76.). Nach Hallers Anschlusstreffer gab es noch Chancen auf beiden Seiten.
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